Leitsatz (amtlich)
Schäden beim Betankungsvorgang sind nur dann beim Betrieb eines Fahrzeugs eingetreten, wenn sich bei der Schadensentstehung die von dem Kraftfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr realisiert hat.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2690/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5.3.2024 - 3 O 2690/22 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
3. Das Urteil ist für die Beklagte hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 82.852,38 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Gebäudeversicherer der AG für Haus und Grundbesitz aufgrund eines Schadensfalles aus übergegangenem Recht in Anspruch. Die Beklagte zu 1) ist Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 2).
Der Beklagte zu 2) versuchte am 26.7.2017 in einer Tiefgarage der Beklagten in Leipzig sein Fahrzeug mit Benzin aus einem Plastikkanister zu betanken. Nachdem er Tankdeckel und Benzinkanister geöffnet hatte, um den Kraftstoff einzufüllen, wurde der Benzinkanister durch eine Stichflamme in Brand gesetzt, was zu erheblichen, vor allem Verrußungsschäden am Objekt der Versicherungsnehmerin der Klägerin führte. Das Fahrzeug des Beklagten zu 2) blieb unversehrt, da der Beklagte zu 2) noch nicht mit dem eigentlichen Befüllen des Tanks begonnen hatte und es ihm gelang, den brennenden Kanister in hinreichender Entfernung vom Fahrzeug abzustellen.
Die Klägerin hat sich darauf berufen, der Brand sei "beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges" im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG entstanden, weil der Brand in unmittelbarem Zusammenhang mit dem (geplanten) Betankungsvorgang gestanden habe, die Beklagte hat dem entgegengehalten, der Brand sei noch vor dem Betanken durch eine statische Aufladung des vom Fahrzeug unabhängigen Kanisters entstanden. Ein hinreichender Zusammenhang mit dem Betrieb des zu betankenden Fahrzeugs sei deshalb zu verneinen.
Das Landgericht hat nach Anhörung eines sachverständigen Zeugen der Klage durch Urteil vom 5.3.2024 - auf dessen Einzelheiten verwiesen wird - vollumfänglich stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung beider Beklagten, mit der sie die vollumfängliche Klageabweisung begehren.
Sie rügen die Verletzung prozessualen und materiellen Rechts im wesentlichen mit der Begründung, das Erstgericht habe die Grenzen der prozessualen Darlegungslast verkannt und die Reichweite des § 7 Abs. 1 StVG nicht richtig eingeschätzt.
Sie beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig - 3 O 2690/23 - vom 5.3.2024 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 1.10.2024 verwiesen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage.
Der Senat wertet den streitgegenständlichen Vorgang in Abweichung vom Landgericht dahingehend, dass er nicht dem Betrieb des Fahrzeugs im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG zuzuordnen ist.
1. Nach § 7 Abs. 1 StVG setzt die Einstandspflicht des Halters voraus, dass der Schaden "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges" entstanden ist.
Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass es sich hierbei um eine reine Gefährdungshaftung handelt (Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 7 StVG (Stand: 02.08.2024)). Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG knüpft an die Schadensverursachung beim Betrieb des Kfz an. Sie hängt nicht davon ab, ob bzw. dass sich der Fahrzeugführer verkehrswidrig verhalten hat. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle (nicht nur im öffentlichen Straßenraum, sondern auch auf nicht öffentlichen Wegen oder Privatgelände) durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h., wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kfz (mit)geprägt wurde (Freymann/Wellner, a.a.O., Rz. 7 ff. m.w.N.).
Die Klägerin weist auch weiter zutreffend darauf hin, dass der Begriff des Betriebes nach teleologischer Auslegung weit zu fassen is...