Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung des Haftungsmerkmals "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" in § 7 Abs. 1 StVG

 

Normenkette

StVG § 7

 

Verfahrensgang

LG Fulda (Entscheidung vom 06.09.2016; Aktenzeichen 4 O 893/15)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. September 2016 verkündete Grundurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Fulda wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten nach dem Brand eines Wohnmobils auf Schadensersatz in Anspruch.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Grundurteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben:

Die Klageforderung sei dem Grunde nach aus § 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 VVG - beschränkt auf die Höchstbeträge des § 12 StVG - gerechtfertigt.

Der mit der Klage geltend gemachte Schaden sei bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden. Der für den Schaden ursächliche Brand sei - unmittelbar, nachdem die Zweitbeklagte das von ihr geführte und gehaltene Wohnmobil an der Tankstelle der Klägerin angehalten und ihr Ehemann das Fahrzeug zwecks anschließender Weiterfahrt betankt habe - in der Elektrik eines in dem Wohnmobil angeschlossenen Kühlschranks ausgebrochen.

Wegen des nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs des Schadenseintritts mit dem Betanken, das seinerseits für die Fortbewegung des Wohnmobils notwendig und somit rechtlich eng mit dem Fahrzeugbetrieb verbunden sei, greife die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG . Eine Betätigung der Motorkraft des Wohnmobils sei insoweit nicht erforderlich gewesen, auch nicht eine Verursachung des Schadens durch den Betriebsvorgang (hier: die Betankung) selbst. So falle etwa das Austreten von Heizöl beim Entladen eines Tanklastwagens aus einem undichten Verbindungsschlauch unter den Betriebsbegriff. Auch sei unerheblich, dass die Tankstelle im Privateigentum der Klägerin stehe. § 7 Abs. 1 StVG verlange nicht den Einsatz des Kraftfahrzeugs auf einer öffentlichen Verkehrsfläche. Eine Anwendung dieser Vorschrift scheitere auch nicht deshalb, weil der Brand in der Elektrik des in dem Wohnmobil angeschlossenen Kühlschranks ausgebrochen sei. Denn dieser gehöre zu den Betriebseinrichtungen des Wohnmobils, das als Sonderfahrzeug neben Fortbewegungs- auch Wohnzwecken diene und hierzu - anders als andere Kraftfahrzeuge - mit zusätzlichen - ebenfalls gefährlichen - Vorrichtungen und Aggregaten ausgestattet sei (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 1996, 1 U 153/94, juris). Die beiden Funktionen des Wohnmobils könnten nicht getrennt werden, da es als einheitliches Fahrzeug im Straßenverkehr genutzt werde. Daher gebiete es der Zweck des § 7 Abs. 1 StVG, auch die von seinen Sondervorrichtungen ausgehenden Gefahren zu erfassen. Für spezielle Entladeeinrichtungen eines Fahrzeugs habe der Bundesgerichtshof dies bereits entschieden.

Die Voraussetzungen des § 304 ZPO für den Erlass eines Grundurteils lägen vor, weil eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Klägerin irgendein ersatzfähiger Schaden entstanden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil vom 6. September 2016 Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageabweisungsanträge weiterverfolgen. Sie rügen unzureichende Tatsachenfeststellungen und eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landgericht:

Dieses habe übersehen, dass die Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVG nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Zweck der Vorschrift nur Fälle erfassen solle, in denen sich aus der Fortbewegung bestimmter Fahrzeuge erhöhte Gefahren für die Allgemeinheit ergeben, da erst der konkrete Einsatz der erhöhten Bewegungsenergie im Sinne einer "Triebkraft" eine verschuldensunabhängige Halterhaftung rechtfertige. Bei der Verursachung eines Brandes in einem stehenden Fahrzeug durch einen nicht zu diesem gehörenden Heizlüfter habe der Bundesgerichtshof eine Anwendung des § 7 Abs. 1 StVG verneint (Urteil vom 8. Dezember 2006, r+s 2007, S.102). Aus der weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2015, NJW 2016, S.1162 ff. [BGH 08.12.2015 - VI ZR 139/15]) ergebe sich, dass eine Halterhaftung für die von einem stehenden Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren nur dann in Betracht komme, wenn sich dieses noch im öffentlichen Straßenverkehr befinde. Der Bundesgerichtshof habe in diesem Fall, in dem beim Entladen eines Tanklastzugs wegen eines undichten Tankschlauchs Öl ausgelaufen sei, maßgeblich darauf abgestellt, dass der Tankwagen noch im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt gewesen sei und beim Entladen eine Ölfontäne verursacht habe, die zu einer Ölverschmutzung der öffentlichen Straße und zu einer Beschädigung eines Hausgrundstücks geführt habe.

Im vorliegenden Fall habe das Wohnmobil der Zweitbeklagten bei dem Schadenseintritt mit ausgeschaltetem Motor g...

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