Leitsatz (amtlich)
1. Der Betreiber eines Bewertungsportals macht sich die Bewertung eines Nutzers bereits dann zu eigen, wenn er diese auf Rüge des Betroffenen prüft und diesem sodann mitteilt, "strittige Tatsachenbehauptungen" habe er entfernt, so dass die Bewertung nunmehr den Nutzungsrichtlinien des Portals entspreche.
2. Für die Behauptung, einer Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, trägt der Betroffenen die Beweislast.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 18.08.2017; Aktenzeichen 2 O 1650/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 18.8.2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I.1 Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen folgende auf dem Portal www.j....de eingestellte, den Kläger betreffende Bewertung vom 3.3.2016 zu veröffentlichen: Bewertung vom 3.3.2016 "Er nimmt sich keine Zeit um die Krankengeschichte zu erfahren auch Befunde von Orthopäden interessieren Ihn nicht. Schnell Chiropraktische Behandlung noch ein paar Spritzen in den Rücken und dann ab zum bezahlen. Beim der zweiten Behandlung da selbe Spiel in 5 minute ist man als Patient wieder draußen. "
I.2 Der Beklagten wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 125.000 EUR und für den Fall, dass das angefallene Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
I.3 Die Beklagte hat an den Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H. von 483,60 EUR zu erstatten.
I.4 Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger zu 1/3, die Beklagte zu 2/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, bezüglich des Antrages zu 1) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- EUR
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Löschung eines auf dem Bewertungsportal www.j....de am 3.3.2016 eingestellten Beitrags in Anspruch. Erstinstanzlich war noch ein weiterer Beitrag vom 4.3.2016 streitgegenständlich, der Rechtsstreit wurde insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte diesen Beitrag gelöscht hatte. Die hierauf anfallenden Kosten hat das Landgericht gem. § 91a ZPO rechtskräftig der Beklagten auferlegt. Bezüglich der Bewertung vom 3.3.2016 hat es die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der meint, das Landgericht habe die Maßstäbe für Betreiber eines Bewertungsportals verkannt und auf eine präventive Verifizierung zur Vermeidung von Fake-Bewertungen beschränkt. Eine einzelfallbezogene Prüfung, die den Maßstäben der BGH-Rechtsprechung genüge, habe die Beklagte nicht vorgenommen. Die automatisierte Standardaufforderung an den Nutzer im Anschluss an eine Rüge des Betroffenen reiche hierfür als rein formale Handlung nicht aus, weil bei anonymisierten Bewertungen ein hohes Missbrauchsrisiko bestehe. Die Stellungnahme des Nutzers sei äußerst pauschal geblieben, Behandlungsunterlagen habe dieser nicht beigefügt. Ein tatsächlicher Behandlungskontakt sei damit nicht nachgewiesen. Im Zusammenhang mit der gelöschten Bewertung vom 4.3.2017 habe sich auch für die Beklagte der Verdacht einer Doppelbewertung durch denselben Nutzer aufdrängen müssen, zumal dieser den vom Kläger berechneten Behandlungspreis unzutreffend angegeben habe. Diese Doppelbewertung, die auch gegen die Nutzungsrichtlinien der Beklagten verstoße, führe zu einer Verwirkung der Meinungsfreiheit, die auch zulasten der Beklagten als mittelbarer Störerin wirke, jedenfalls aber im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen sei. Dies alles habe das Landgericht nicht berücksichtigt, überdies habe es die Beweisangebote des Klägers auf Vernehmung seiner Ehefrau zu den Behandlungskosten und seiner selbst zu zur grundsätzlichen Vorgehensweise bei Behandlungskontakten abgelehnt, obwohl diese entscheidungserheblich gewesen wäre.
Er beantragt,
1. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Beklagten zu untersagen, folgende Bewertung vom 3.3.2016 inklusive Benotung zu veröffentlichen:
"Bewertung vom 3.3.2016
Gesamtnote 6,0
Ein kompletter Reinfall/Komplett imkompetent
Ich kann jedem nur abraten zu Herrn L... zu gehen. Er nimmt sich keine Zeit um die Krankengeschichte zu erfahren auch Befunde von Orthopäden interessieren Ihn nicht.
Schnell Chiropraktische Behandlung noch ein paar Spritzen in den Rücken und dann ab zum bezahlen. Beim der zweiten Behandlung da selbe Spiel in 5 minute ist man als Patient wieder draußen.
Meine Rückenbeschwerden waren nach den beiden Behandlungen noch schlimmer.
Also lieber Finger weg!"
2. Der Beklagten wird für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 125.000 EUR und für den Fall, dass das angefallene Ordnungsgeld nicht beige...