Leitsatz (amtlich)

Greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Dieselfahrzeug erfordern einen auf den gleichen oder einen vergleichbaren Fahrzeugtyp bezogenen konkreten Tatsachenvortrag. Ein vergleichbarer Fahrzeugtyp liegt nur vor, wenn das Fahrzeug über den gleichen Motor verfügt und in dieselbe Schadstoffklasse eingestuft ist.

 

Verfahrensgang

LG Görlitz (Aktenzeichen 1 O 431/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes Görlitz vom 20.07.2023 - 1 O 431/21 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf bis zu 70.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb am 18.08.2018 von einem Dritten einen Bürstner Travel Van t 960 bei einem Kilometerstand von 42.070 km zum Kaufpreis von 57.000,00 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Motor Fiat Ducato 2,3 l Multijet, 109 kW, 2.287 ccm, Euro 5 (Baumusterbezeichnung F1AE3481E), EZ 11.05.2017 ausgestattet. Ein Rückruf der italienischen Typengenehmigung ist nicht erfolgt. Der Kilometerstand zum 10.10.2023 betrug 81.011 km.

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, die dafür Sorge, dass die Emmissionsgrenzwerte nur auf dem Prüfstand, aber nicht im Realbetrieb eingehalten werden. Es sei eine Timerfunktion verbaut, die die Häufigkeit der NSK-Regeneration ca. 22 Minuten nach dem Motorstart reduziere. Dies hätten Sachverständige und auch das KBA festgestellt (Bl. 25, 26 d. A.). Es seien zahlreiche Steuerungen verbaut, die dafür Sorge tragen würden, dass der NEFZ-Modus nicht vorschnell verlassen werde (Bl. 172 ff. der erstinstanzlichen Akte). Dazu gehörten neben dem Zeitablauf, der Lenkwinkel- sowie die Gaspedalstellung. Maßgeblich für die Grenzwerte sei der Realbetrieb nach den europarechtlichen Bestimmungen. Den Vertretern der Beklagten sei bewusst gewesen, dass die Software illegal sei. Darauf seien sie von der Robert-Bosch-GmbH mehrfach hingewiesen worden. Die Grenzwertüberschreitung sei für den Fiat Ducato 3,0 l, Euro 5 auch im Bericht der Volkswagenkommission (dort Seiten 78/79, Anlage K14) und durch Messungen der DUH für bestimmte Fahrzeuge festgestellt worden. Des Weiteren sei ein Thermofenster verbaut. Die AGR Rate werde bei Temperaturen unter 20° C bis hin zu 5° C reduziert. Außerdem sei das OBD-System manipuliert, denn erhöhte Emissionswerte würden nicht angezeigt. Die Manipulation der Software "constant fpt Pt1 filtering" und "used in all actuators EGR" beziehe sich auf Motoren der Baumusterbezeichnung F1CE3481E. Die Beseitigung der Manipulationen sei nicht möglich. Es drohe die Stilllegung des Fahrzeuges. Es liege ein Rechtsmangel vor, der nicht behebbar ist. Gegen die Verantwortlichen der Beklagten werde in Hessen ein Ermittlungsverfahren geführt und gegen Italien sei ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden. Zudem sei gegen die Beklagte in den USA ein Verfahren geführt und acht verschiedene illegale Abschalteinrichtungen festgestellt worden. Den Vorständen der Beklagten seien diese Umstände bekannt. Ihr Verhalten sei sittenwidrig.

Die Beklagte ist der Auffassung, die für das Fahrzeug vorliegende zulässige Typengenehmigung habe Tatbestandswirkung und der Widerruf drohe auch nicht. Die Emissionsgrenzwerte würden eingehalten. Eine unzulässige Abschalteinrichtung liege nicht vor. Die Messungen der DUH seien unerheblich, da es nicht auf die Einhaltung der Grenzwerte im Realbetrieb ankomme. Eine Manipulation sei nicht substantiiert dargelegt worden. Der Vorwurf des Thermofensters könne dahinstehen, denn selbst wenn ein solches verbaut wäre, hätten die Verantwortlichen der Beklagten nicht sittenwidrig gehandelt. Es sei kein Motorsteuergerät der Firma Bosch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut worden, sondern von der Firma Magneti Marelli. Ein Feststellungsinteresse bestehe nicht. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt bestehe. Ein Schaden bestehe nicht.

Das Landgericht Görlitz hat die Klage mit Urteil vom 20.07.2022 abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht den Vortrag zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung als unzureichend angesehen. Das Temperaturfenster, innerhalb dessen sich überhaupt erst eine Abgasreinigung einschalte, betrage 20 bis 40 Grad Celsius. Das Thermofenster müsse einen Bereich von - 15° C bis + 40° C sicherstellen. Des Weiteren sei dargetan worden, welche konkreten Störgrößen die Abgasreinigung beenden, selbst wenn sich das Fahrzeug in dem maßgeblichen Temperaturbereich bewege (wie z. B. D...

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