Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 7 O 85/21) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 04.03.2022 - 7 O 85/21 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Dieses Urteil sowie nunmehr auch das Urteil des Landgerichts Dresden vom 04.03.2022 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 12.360,59 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.
Sie erwarb am 01.10.2020 von einem privaten Verkäufer als Gebrauchtfahrzeug einen PKW Audi A 3, 1.6 l TDI, 81 kW zu einem Kaufpreis von 13.555,00 EUR. Das im Februar 2015 erstmals zugelassene Fahrzeug wies zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin eine Laufleistung von 27.120 km auf. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 288, EU-6-Abgasnorm versehen. In der Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist eine Fahrkurvenerkennung hinterlegt, mit der erkannt wird, dass das Fahrzeug den Prüflauf nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Das Fahrzeug ist mit einem sog. NOx-Speicherkatalysator (künftig: NSK) ausgestattet, der als Abgasnachbehandlungssystem zur Reduktion von NOx-Emissionen beiträgt. Es ist nicht von einer Rückrufanordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes (künftig: KBA) betroffen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Sie verfolgt einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte weiter. Hauptansatzpunkt sei nicht das Thermofenster, sondern, dass die Beklagte eine Prüfzykluserkennung einsetze und durch diese Einfluss auf das Emissionsverhalten genommen werde.
Die Klägerin beantragt unter Abänderung des Urteils des Landgerichts zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 12.360,59 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Volkswagen A3 Limousine mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer xxx.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.908,20 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen und von der Abfassung eines Tatbestandes gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
B Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte weder aus §§ 826, 31 BGB noch aus einer sonstigen Anspruchsgrundlage zu.
I. Der Senat hat auf der Grundlage des Parteivortrags nicht die Überzeugung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 826, 31 BGB) durch die Beklagte gewonnen.
1. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, welche die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH Urt. vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19, Urt. vom 30.07.2020 - VI ZR 5/20, Beschl. vom 21.03.2022 - VIa ZR 334/21).
Nach diesen Maßstäben kann das Verhalten eines Fahrzeugherstellers eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung begründen, wenn dieser aufgrund einer grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch in großer Stückzahl Fahrzeuge in Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgaswerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (vgl. BGH, Urt. vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19), mithin diese manipulativ ausgestaltet wurde.
Demgege...