Leitsatz (amtlich)
Kündigung eines Landpachtvertrages wegen einer Aufgabe von Zuckerrübenlieferrechten.
Verfahrensgang
AG Bautzen (Urteil vom 19.06.2009; Aktenzeichen 30 XV 31/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landwirtschaftsgerichts Bautzen vom 19.6.2009 - 30 XV 31/08, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits - beider Instanzen - zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird hinsichtlich der Frage zugelassen, ob die Erwirtschaftung und Ausnutzung von betriebsbezogenen Zuckerrüben-Lieferrechten auch noch nach der grundlegenden Reform der Zuckermarktordnung innerhalb der Europäischen Union im Jahre 2006 einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Pachtsache entspricht und eine Aufgabe der Zuckerrüben-Lieferrechten eine außerordentliche Kündigung des Pachtvertrages rechtfertigt.
Gründe
I. Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Landwirtschaftsgerichts Bautzen, durch das er zur Herausgabe verschiedener landwirtschaftlicher Grundstücke verurteilt worden ist.
Im Jahre 1991 pachtete der Beklagte von Herrn N. G. für die Zeit vom 2.1.1991 bis zum 30.11.2011 sechs in der Gemeinde S. gelegene Flurstücke in einer Gesamtgröße von 23,082 ha (vgl. den Normalpachtvertrag für Einzelgrundstücke), welche zu DDR-Zeiten von der im Zuckerrübenanbau tätigen LPG (P) "H. J." in S. bewirtschaftet worden waren (3,742 t/ha = 86,37 t). Nach § 7 des Pachtvertrages hat der Pächter die Pachtgrundstücke nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung zu bewirtschaften und darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verpächters keine Änderung der wirtschaftlichen Bestimmung der Pachtgrundstücke vornehmen. Eine vorzeitige Kündigung des Pachtvertrages, welche durch eingeschriebenen Brief ausgesprochen werden muss, ist nach § 12 Abs. 1 des Pachtvertrages aus den gesetzlich festgelegten Gründen möglich. Darüber hinaus kann der Verpächter den Vertrag kündigen, wenn für ihn die Fortsetzung des Pachtverhältnisses aus einem in der Person des Pächters liegenden Grund eine unbillige Härte bedeuten würde (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Pachtvertrages). Die Höhe des Pachtzinses belief sich zuletzt auf 4.130,57 EUR pro Jahr. Mit notariellem Vertrag vom 18.9.1997 erwarb der Kläger die ursprünglich von Herrn N. G. an den Beklagten verpachteten landwirtschaftlichen Nutzflächen und wurde am 21.8.1998 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Der Beklagte erhielt in der Zeit von 1991 bis 1995 von der S.-Genossenschaft eG (nachfolgend: S. eG) insgesamt 210 Anteile "Z" an den von der S. eG als Treuhänderin erworbenen Aktien der S. AG M .../O ... (nachfolgend: S. AG) in einem Gesamtkurswert von 21.302,40 DM zugeteilt (vgl. die Zuteilungsnachricht über Ausgabe von S.-Anteilen "Z" - Abrechnung 1996). Mit Schreiben vom 14.5.1997 erfolgte eine weitere Zuteilung von 41 Anteilen "Z" in einem Gesamtkurswert von 4.159,04 DM, so dass sich der Gesamtbestand von Anteilen "Z" auf 251 erhöhte (Gesamtkurswert: 25.461,44 DM). Mit den Anteilen an dem gemeinschaftlichen Aktienbesitz ist seit 1997 ein Lieferrecht verbunden, welches sich angesichts der 251 S.-Anteile "Z" des Beklagten auf 6.024 dt beläuft (vgl. das Schreiben der S. eG vom 14.5.1997). Da auf die von dem Beklagten bewirtschafteten Flächen eine Quotenrübenmenge von 6.410 dt (641 t) entfielen, bedurfte es eines weiteren Lieferrechtes von 456 dt bzw. des Erwerbs weiterer 19 Stück S.-Anteile "Z".
Am 10.10.2007 unterbreitete die S. eG dem Beklagten ein "Angebot zur freiwilligen Rückgabe von Vertragsrüben" (vgl. das Schreiben der S. eG vom 10.10.2007). Das Angebot stand im Zusammenhang mit einer notwendigen Verringerung der Zuckerrübenproduktion und diente der Vermeidung einer unumgänglichen Kürzung der Zuckerquote, die spätestens 2010 entschädigungslos erfolgen würde. Nach dem Schreiben vom 10.10.2007 verfügte der Betrieb des Beklagten über "Vertragsrüben 2008/2009" (Stand 1.10.2007) von 1.472,1 t, welche durch entsprechende Lieferrechte in gleichem Umfang abgedeckt waren. Bei der vorgeschlagenen Rückgabe von Vertragsrüben errechnete sich ein Guthaben des Beklagten bei der S. eG zum 1.10.2007 i.H.v. 145.731,91 EUR . Der Beklagte nahm das Angebot an, ohne den ebenfalls als Landwirt arbeitenden Kläger zu benachrichtigen und seine Genehmigung einzuholen.
Nachdem der Kläger durch Dritte von der freiwilligen Rückgabe von Vertragsrüben erfahren hatte, beantragte er am 11.3.2008 bei der S. AG die Rückübertragung der Rübenquote des Beklagten. In ihren Antwortschreiben vom 13. und 14.3.2008 lehnten sowohl die S. eG als auch die S. AG die Rückgabe der Rübenquote ab und verwiesen den Kläger auf Ansprüche gegen seinen Pächter. Daraufhin kündigte der Kläger den Pachtvertrag...