Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 5 O 467/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 22.10.2021, Az. 5 O 467/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 34.184,55 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der beklagten Motoren- und Fahrzeugherstellerin Schadensersatz wegen angeblicher Abgasmanipulationen im Motor ihres Fahrzeugs.
Sie erwarb von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 16.02.2018 (Anlage K 1, Bl. 19 ff. d.A.) einen PKW des Typs VW Sharan Comfortline, 2.0 l TDI, 110 kW (150 PS), zu einem Kaufpreis von 43.124,74 EUR brutto als Neuwagen. In dem Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA 288 (EU 6) der Beklagten mit SCR-Katalysator verbaut. Am 28.05.2018 wurde das Fahrzeug erstmals zugelassen. Es verfügt über eine Fahrkurvenerkennung.
Im realen Fahrbetrieb wird oberhalb einer Betriebstemperatur von 200° in einen Betriebsmodus mit geringer Abgasrückführungsrate gewechselt, da der SCR-Katalysator wesentlich zur NOx-Reduktion beiträgt. Im NEFZ wird auch nach Erreichen dieser Betriebstemperatur des SCR-Katalysators die Umschaltung auf die geringe Abgasrückführungsrate unterbunden. Ferner bewirkt die Fahrkurvenerkennung eine Eindosierung von AdBlue in den SCR-Katalysator bereits ab einer Betriebstemperatur des Katalysators von ca. 130 °C im NEFZ anstelle von 150 °C im realen Fahrbetrieb.
Das Kraftfahrtbundesamt hat diese Funktionsweise nicht als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet, da die betroffenen Fahrzeuge auch nach Entfernung der Fahrkurvenerkennung im Prüfstand die Grenzwerte für NOx einhalten würden. Ein Rückruf des Fahrzeugs ist daher nicht erfolgt.
Mit vorgerichtlichem Schreiben vom 21.09.2020 (Anlage K 4) hat die Klägerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten die Beklagte aufgefordert, den Kaufpreis an sie zurückzuerstatten und das Fahrzeug zurückzunehmen.
Am 06.10.2021 betrug der Kilometerstand 62.193 km.
Die Klägerin hat behauptet, die Software erkenne anhand verschiedener Parameter, ob sich das Fahrzeug im Zyklus befinde und erhöhe sodann die Abgasrückführung, sodass die Stickoxid-Grenzwerte im Prüfzyklus eingehalten würden. Im realen Fahrbetrieb sei hingegen ein anderer Modus mit höheren Stickoxidemissionen aktiv.
Außerhalb eines Temperaturfensters von 20 °C bis 30 °C sinke die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems und die Emissionen würden ansteigen.
Außerdem werde durch die Lenkwinkelerkennung auf die Getriebeschaltpunkte Einfluss genommen, sodass im Prüfstand geringere Kohlenstoffdioxidwerte und geringere Stickoxidwerte ausgestoßen würden.
Weiterhin werde nur im Prüfstand ausreichend Adblue eingespritzt.
Ab einer bestimmten Drehzahl schalte die Software die Abgasreinigung und den Katalysator ab.
Ohne die illegalen Abschalteinrichtungen könne das Fahrzeug die Grenzwerte nicht einhalten. Es entspreche daher nicht der Typgenehmigung.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Motor EA 288 enthalte keine unzulässigen Abschalteinrichtungen. Auf die KBA-Felduntersuchungen und den Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen werde Bezug genommen. Die Messungen des KBA zu variierten Prüfbedingungen hätten gezeigt, dass die EA 288-Motoren die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte einhalten würden. Dies gelte unabhängig von einer Fahrkurvenerkennung. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems werde im normalen Fahrbetrieb nicht verringert. Es existiere keine optimierende Funktion, die erforderlich sei, um die Grenzwerte der Emissionen im Prüfstand einzuhalten. Das Thermofenster stelle keine Abschalteinrichtung dar. Im streitgegenständlichen Motor sei es vielmehr bei einer Außentemperatur zwischen -24 °C bis + 70 °C zu 100 % aktiv. Das KBA bewerte das Thermofenster in dem streitgegenständlichen Motor ebenfalls nicht als unzulässige Abschalteinrichtung, nachdem dem KBA dieses im Rahmen eines Workshops am 22.1.2016 vorgestellt worden sei. Die Adblue Dosierung werde ferner nicht unterschiedlich angesteuert. Es gebe auch keine unterschiedlichen Getriebeschaltpunkte. Dies gelte schon deshalb, da das Fahrzeug über eine Handschaltung verfüge, welche keine unterschiedlichen Schaltpunkte besitze.
Durch Urteil vom 22.10.2021 (Bl. 196 ff.), auf das wegen des erstinstanzlichen Parteivortrags und der erstinstanzlich gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ausscheide, da nicht ersichtlich sei, dass ihr zum Zeitpunkt des Kaufs eine Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung drohte. Greifb...