Leitsatz (amtlich)

1. Die Anforderungen an den Vortrag greifbarer Anhaltspunkte für den sittenwidrigen Verbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung sind erhöht, wenn zu dem streitgegenständlichen Motor (hier: EA 288) bereits umfangreiche Untersuchungen des Kraftfahrtbundesamtes mit negativem Ergebnis stattgefunden haben.

2. Ein subjektiver Schädigungsvorsatz bezüglich eines sog. Thermofensters lässt sich für den Zeitraum bis zur Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 (C-693/18) jedenfalls nicht aus dessen Verbau schließen.

3. Die Art. 5 VG (EG) 715/2007, §§ 6, 27 EG-FGV sind nur insoweit drittschützend, als die weitere Nutzung im Straßenverkehr betroffen ist, nicht jedoch im Hinblick auf das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht des Erwerbers.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 7 O 2372/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25. April 2022 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses sowie das unter Ziffer 1. des Tenors genannte landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren wird auf 27.993,60 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Seat Alhambra.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 15. April 2016 von der E... AG das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 33.179,35 EUR. Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor der Baureihe EA 288 (Schadstoffklasse EU 6), ist mit einem SCR-Katalysator ausgestattet und hatte bei Übergabe an den Kläger einen Kilometerstand von 15 km, im Zeitpunkt der Klageerhebung von 56.995 km, zum 06. April 2022 von 65.264 km und zum 06. Dezember 2022 von 72.796 km. Die Beklagte ist Herstellerin des in dem Fahrzeug verbauten Motors. Das Fahrzeug ist nicht von einem durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) angeordneten (verpflichtenden) Rückruf betroffen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und der erstinstanzlichen Antragstellung wird auf das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25. April 2022 verwiesen.

Das Landgericht Dresden hat mit vorgenanntem Urteil die Klage abgewiesen, da dem Kläger weder vertragliche bzw. vorvertragliche Ansprüche noch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz bzw. wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zustünden. Die Behauptungen des Klägers zu dem Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen seien durch die umfangreichen Untersuchungen des KBA widerlegt. Es hätte daher vom Kläger konkret dargelegt werden müssen, weshalb er trotz jahrelanger umfangreicher und seinen Behauptungen entgegenstehender Untersuchungen des KBA insoweit immer noch von unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgehe. Insbesondere sei der Kläger durch die Installation eines "Thermofensters" nicht vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden. Hinsichtlich der "Fahrkurvenerkennung" habe das KBA keine Unzulässigkeit bei der Überprüfung der Motorsteuerungs-Software festgestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Er wendet ein, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts vorliegend "zumindest zwei Abschalteinrichtungen" vorhanden seien. Die Schlussfolgerungen des Landgerichts zum Nichtvorliegen illegaler Abschalteinrichtungen seien verfahrensfehlerhaft, weil es die sekundäre Darlegungslast der Beklagten nicht erkannt, die Hinweispflichten nicht beachtet und das rechtliche Gehör verletzt habe, indem es erheblichen Sachvortrag bzw. Beweisantritte seinerseits unberücksichtigt gelassen habe. So habe er zum "Thermofenster" in der Klageschrift unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Abgasreinigung durch Abgasrückführung lediglich bei Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad Celsius funktioniere und ab einer Außentemperatur von (unter) 17 Grad Celsius und über 30 Grad Celsius hingegen regelmäßig ganz abschalte. Darüber hinaus habe er seinen Vortrag in der Replik dahingehend präzisiert, dass bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug im Kernbereich des Thermofensters von 15 Grad Celsius bis 33 Grad Celsius noch eine "Abrampung", also eine Reduzierung der Abgasrückführung unter bestimmten Umständen stattfinde und die Abgasrückführung bei Temperaturen unter 15 Grad Celsius signifikant, nämlich um mindestens 30 %, reduziert sei. Dem sei die Beklagte nicht entgegengetreten. Auch bezüglich der von ihm gerügten Manipulation des Ladeverhaltens der Batterie habe die Beklagte nichts Konkretes vorgetragen. Den Vortrag zur "Fahrkurvenerkennung" hab...

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