Verfahrensgang
LG Zwickau (Aktenzeichen 5 O 148/21) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 28.02.2023 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.406,75 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen in einem Dieselmotor aus Klägersicht enthaltenen unzulässigen Abschalteinrichtungen.
Der Kläger erwarb am 17.06.2016 bei einem Autohaus einen 2015 gebauten und am 15.02.2015 typengenehmigten PKW VW Golf, 2,0 TDI als Gebrauchtfahrzeug mit einer Laufleistung von 9.800 km zu einem Preis von 28.888 EUR. In dem von der Beklagten hergestellten Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor EA 288 verbaut, welcher in die Schadstoffklasse EU 6 eingestuft ist. Zusätzlich zu der innermotorischen Maßnahme der Abgasrückführung (AGR) trägt ein sog. NSK-System (NOx-Speicherkatalysator) als Abgasnachbehandlungssystem zur Reduktion von Stickoxid-Emissionen bei. Die Steuerungssoftware enthält ein sog. Thermofenster und eine sog. Fahrkurvenerkennung.
Mit letzterer erkennt das Fahrzeug, wenn es sich im Prüfmodus befindet, dem für die Typengenehmigung das streitgegenständliche Fahrzeug betreffend seinerzeit maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Das NSK-System verhält sich dann anders als im Realbetrieb. Zum einen wird der NSK an einem zeitlich genau definierten Punkt kurz vor dem Ende der einem NEFZ stets vorgeschalteten Vorkonditionierungsfahrt (Precon) vollständig regeneriert (Emissionsausstoß), damit er zu Beginn der NEFZ-Prüffahrt nahezu leer ist. Der Start des NEFZ erfolgt daher mit vollständig regeneriertem Katalysator. Zum anderen wird der NSK innerhalb des NEFZ an zeitlich genau definierten Punkten - und damit stets nur zweimal - regeneriert, was bedeutet, dass eine Regeneration nach jeweils ca. 5 km erfolgt, nämlich im ersten Drittel des außerstädtischen Teils bei ca. 70 km/h und dann kurz vor dem Ende des außerstädtischen Teils bei ca. 100 km/h. Zudem wird (nur) nach Erkennen des Prüfstands eine Katalysator-Heizmaßnahme aktiviert, die dazu führt, dass die Temperatur des NSK unmittelbar vor dem ersten NSK-Regenerationsevent erhöht wird und damit trotz des niedriglastigen NEFZ die für eine effektivere Abgasreinigung (maximal tiefe Regeneration) nötige Betriebstemperatur bereits erreicht. Dies alles kann - je nach fahrzeugspezifischer Einbauart des Motors - gegenüber sonst identischen Fahrzeugen ohne Fahrkurve zu messbar anderen Emissionen im NEFZ führen.
Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat seit Herbst 2015 Kenntnis von der in Dieselmotoren des Typs EA 288 vorhandenen Steuerungssoftware in Form der Fahrkurve.
Die Abgasrückführung ist in dem streitgegenständlichen EA 288-Aggregat bei einer Außentemperatur zwischen -24 °C bis +70 °C in den jeweils aktiven Motorbetriebsarten entweder zu 100 % aktiv (innerhalb des Fensters) oder inaktiv (oberhalb und unterhalb des Fensters). Eine Abrampung, also eine von der Umgebungstemperatur abhängige Reduktion der Abgasrückführung, findet nicht statt.
Ein amtlicher Rückruf bezogen auf das streitgegenständliche Fahrzeugmodell durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) existiert nicht. Das KBA hat für den Fahrzeugtyp VW Golf 2.0I Diesel 135 kW Euro 6 mit dem Aggregat EA 288 EU 6 - wie auch für zahlreiche andere Fahrzeuge mit dem Motor EA 288 - angegeben, dass nach seinem Kenntnisstand keine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden ist. Es hat ferner angegeben, dass Prüfungen im KBA gezeigt hätten, dass auch bei Deaktivierung der Fahrkurven-Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren eingehalten werden und deshalb keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege.
Am 09.07.2023 wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 134.791 km aus.
Der Kläger meint, das Fahrzeug verfüge über mindestens eine unzulässige Abschalteinrichtung und ihm stehe Schadensersatz zu. Die Beklagte habe ihn sittenwidrig geschädigt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.02.2021 wurde die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs aufgefordert.
Das Landgericht hat die hiernach erhobene Klage mit Urteil vom 28.02.2023, der Klägerseite zugestellt am 21.04.2023, abgewiesen. Für einen Anspruch aus § 826 BGB fehle es bereits an der Darlegung eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten. Das KBA habe den Motor EA 288 nach Anfang Oktober 2015 umfangreich geprüft und keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt. Dass Grenzwerte nach Auffassung des Klägers nur auf dem Prüfstand eingehalten würden, führe zu keiner andere...