Leitsatz (amtlich)
Bei § 15a RVG handelt es sich um eine Gesetzesänderung, auf die § 60 Abs. 1 RVG anwendbar ist.
Normenkette
RVG-VV Vormerkung 3 Abs. 4; RVG § 15a
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Beschluss vom 23.06.2009; Aktenzeichen 1 O 318/07) |
Tenor
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die sofortige Beschwerde der Klägerin der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Wuppertal - Rechtspflegerin - vom 23.6.2009 (Bl. 229 f. GA) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Aufgrund des Urteils der 1. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 21.4.2009 sind von der Klägerin 10.912,42 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 25.5.2009 an die Beklagte zu erstatten.
Von der Erhebung der Gerichtsgebühr nach GKG KV-Nr. 1811 ist abzusehen. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen zu 13 % die Klägerin und zu 87 % die Beklagte.
Gründe
I. Die am 5.8.2009 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin (Bl. 245 GA) gegen den am 28.7.2009 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Wuppertal - Rechtspflegerin - vom 23.6.2009 (Bl. 229 f., 238 GA) ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig. Sie hat teilweise Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, im Übrigen zur Zurückweisung des Rechtsmittels. Bei der Kostenfestsetzung ist nicht berücksichtigt worden, dass eine 0,65 Geschäftsgebühr nach RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4 zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist.
1. Vorliegend ist eine Geschäftsgebühr angefallen für die vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Diese waren bereits vorprozessual für die Beklagte tätig, wie deren Schreiben an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19.12.2006 (Anlage K1, Bl. 61 GA) belegt. Dass die streitgegenständliche Forderung am 5.12.2006 von Herrn S. an die Klägerin abgetreten wurde (vgl. Begründungsschrift der Klägerin vom 3.3.2008, S. 9, Bl. 24 GA), hat keinen Einfluss auf die im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Prozessbevollmächtigten bereits entstandene Geschäftsgebühr. Aufgrund eines Gläubigerwechsels auf Seiten des Gegners fällt keine erneute Geschäftsgebühr an (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., RVG § 15 Rz. 41 "Parteiwechsel"). Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten waren nach wie vor in derselben, vom ursprünglichen Auftrag zur Anspruchsabwehr umfassten Angelegenheit tätig. Hierfür ist - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - eine Geschäftsgebühr i.H.v. 1,3 angefallen. Nach der amtlichen Anmerkung darf eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
2. Die Geschäftsgebühr ist nach der Anrechnungsvorschrift RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 auf die im nachfolgenden Prozess angefallene Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3100 zur Hälfte, hier also i.H.v. 0,65 anzurechnen, so dass sich diese um 3.214,90 EUR vermindert. Dies führt zu einer Reduzierung des Kostenerstattungsanspruchs um 3.825,73 EUR (= 3.214,90 EUR zzgl. Umsatzsteuer).
Der Klägerin ist es nicht verwehrt, sich im Kostenfestsetzungsverfahren ggü. der Beklagten auf die Anrechnung zu berufen. Dem steht der aufgrund Art. 7 Abs. 4 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht v. 30.7.2009 (BGBl. I, 2449) mit Wirkung zum 5.8.2009 neu eingefügte § 15a Abs. 2 RVG nicht entgegen. Dieser lässt zwar die Berufung auf die Anrechnung nur in den dort genannten drei aufgeführten Alternativen zu (Erfüllung oder Titulierung eines der beiden Gebührenansprüche oder Geltendmachung beider Gebührenansprüche im selben Verfahren), die hier nicht gegeben sind. § 15a RVG ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Dies folgt mangels spezieller Übergangsnorm zur Einfügung des § 15a RVG aus § 60 Abs. 1 RVG. Danach ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der anwaltliche Auftrag - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Änderung erteilt worden ist.
a) Durch § 15a RVG ist die bisherige Gesetzeslage geändert - und nicht lediglich klargestellt - worden. Er wurde als neue, eigenständige Vorschrift formuliert und in das Gesetz eingefügt und bewirkt auch inhaltlich eine Änderung des bisher geltenden Rechts.
aa) Vor Einfügung des § 15a RVG war die Anrechnung über die Regelung in RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 hinaus nicht näher definiert. Insbesondere gab es keine Regelung, inwieweit Dritte sich auf die im Innenverhältnis zwischen Mandant und Anwalt vorzunehmende Anrechnung berufen können. Daher hat der BGH und ihm folgend die herrschende Rechtsprechung im Wege der Auslegung mehrfach entschieden: Sofern nach RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, vermindert sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr,...