Leitsatz (amtlich)
Stimmt der Beklagte lediglich der Klagerücknahme zu, fällt die Einigungsgebühr nicht an.
Normenkette
RVG § 2 Abs. 2; RVG-VV Nr. 1000; BRAGO a.F. § 23; ZPO § 269
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 05.08.2008; Aktenzeichen 10 O 342/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 10. Zivilkammer des LG Mönchengladbach - Rechtspflegerin - vom 5.8.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.
Beschwerdewert: 606 EUR.
Gründe
Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1, 568 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Absetzung der Einigungsgebühr zu Lasten der Beklagten ist zu Recht erfolgt.
Zutreffend ist die Rechtspflegerin davon ausgegangen, dass die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV nicht entstanden ist. Nach dieser Kostenbestimmung fällt die Gebühr an, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (BGH NJW 2007, 2187 m.w.N.; ferner MDR 2007, 492; NJW 2006, 1523).
Im vorliegenden Fall fehlt es schon am Abschluss eines Vertrages. Denn die Prozessbevollmächtigten haben lediglich Prozesserklärungen abgegeben. Auch wenn die Klage gem. § 269 Abs. 1 ZPO nach Eintritt in die mündliche Verhandlung, also nach Stellung der Anträge (§ 137 Abs. 1 ZPO), wirksam nur mit Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden kann, kommt diesen Prozesshandlungen nicht die Qualität von Angebot und Annahme i.S.d. §§ 145 ff. BGB und damit eines Vertragsschlusses zu (ähnlich OLG Koblenz JurBüro 2006, 638 = MDR 2007, 244; offen gelassen von OLG Düsseldorf, 1. Zivilsenat, AGS 2005, 494). Die Parteien wollen erkennbar nicht eine den Prozess beendende Vereinbarung treffen. Dafür hätten sie jeweils Adressaten der Willenserklärungen sein müssen. Stattdessen sind die Prozesserklärungen ausschließlich an das Gericht gerichtet (vgl. § 269 Abs. 2 S. 1 ZPO) und lösen die in § 269 Abs. 3 ZPO beschriebenen Rechtsfolgen aus. Unerheblich ist dabei, dass die Beklagten ihre Einwilligung in die Rücknahme der Klage schon vorweg in der mündlichen Verhandlung erklärt haben (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 269 Rz. 15; Musielak/Foerste, ZPO, 6. Aufl., § 269 Rz. 9). Das berührt allenfalls die Widerruflichkeit der Erklärung bis zur Klagerücknahme. Darauf kommt es hier indessen nicht an.
Sähe man dies anders, so hätte das Verhalten der Parteien trotzdem nicht die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV entstehen lassen. Diese soll nämlich die frühere Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO ersetzen und gleichzeitig inhaltlich erweitern. Während die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzte, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und dadurch einen Anreiz schaffen, diesen Weg der Erledigung eines Rechtsstreits zu beschreiten. Unter der Geltung des RVG kommt es deswegen nicht mehr auf einen Vergleich i.S.v. § 779 BGB, sondern nur noch auf eine Einigung an (vgl. BGH NJW 2007, 2187; MDR 2007, 492; Hartmann, Kostengesetze 37. Aufl., RVG VV Nr. 1000 Rz. 5 und 10; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 18. Aufl. VV Nr. 1000 Rz. 3, 5). Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts vergütet werden; zudem soll die Belastung der Gerichte gemindert werden (BGH MDR 2007, 492 m.w.N.). Die Einigungsgebühr entsteht demnach dann nicht, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch ausschließlich zum Inhalt hat (BGH, a.a.O.).
Ähnlich liegen die Dinge auch hier. Denn das Verhalten der Parteien kommt der schlüssigen Verabredung eines vollständigen Verzichts des Klägers mit Zustimmung seiner Gegner nahe. Da aber einer Klagerücknahme dieser weitgehende Erklärungsinhalt nicht zukommt und nicht einmal der Verzichtsvertrag eine Einigungsgebühr anfallen lässt, kommt dies erst recht nicht für die Klagerücknahme nach Beginn der mündlichen Verhandlung in Betracht. Dabei mag es durchaus anders gelagerte Fälle geben, die die Gebühr nach Nr. 1000 RVG-VV auslösen (vgl. die Beispiele bei Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 42; ferner Hartmann, a.a.O., Rz. 32). Insbesondere Fälle, in denen der Klagerücknahme eine außerhalb des Verfahrens getroffene Übereinkunft der Parteien zugrunde liegt, sind hier einschlägig (so zutreffend OLG Koblenz, a.a.O.).
Schließlich entspricht die Annahme einer Gebühren auslösenden Einigung nicht den Interessen der Parteien. Denn ein Kläger sieh...