Leitsatz (amtlich)
1. Beruht die Entscheidung des Sohnes und einzigen gesetzlichen Erben, die Erbschaft auszuschlagen, auf bewusst ungesicherter, also spekulativer Grundlage (keine konkreten Kenntnisse von der Vermögenslage seines Vaters wegen Fehlens jeglichen Kontaktes seit Jahrzehnten; ohne Bemühen um Aufklärung der Vermögensverhältnisse nach dem Tode des Erblassers befürchtete Überschuldung aufgrund einer Bewertung von Umständen aus den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts sowie des Zustandes der Mietwohnung nach dem Tod bei allein spekulativer Betrachtung der Aktiva in dem Sinne, "da könne nichts sein"), so berechtigt eine später sich herausstellende Werthaltigkeit des Erbes (erhebliches Geld- und Wertpapiervermögen) mangels eines rechtlich relevanten Irrtums (bloßer Motivirrtum) den Ausschlagenden nicht zur Anfechtung seiner Erklärung.
2. Keine Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen nicht (allein) entscheidungstragender Gründe mit Blick auf eine Unzulässigkeit (Verfristung) des Rechtsmittels bei nicht zu gewährender Wiedereinsetzung (hier: dem Beschwerdeführer zurechenbares Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten im Zusammenhang mit einer nicht erteilten allgemeinen Weisung an die Mitarbeiterin seines Büros für den Fall des Misslingens von Versuchen der Fax-Übertragung einer fristgebundenen Rechtsmittelschrift).
Normenkette
BGB §§ 119-120, 123, 1943 1. Fall, § 1944 Abs. 1, 2 S. 1, § 1945 Abs. 1, § 1954 Abs. 1; FamFG § 11 S. 5, § 17 Abs. 1, § 70 Abs. 2 S. 1; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Duisburg-Hamborn (Aktenzeichen 5 VI 407/18) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird auf Kosten des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.
Geschäftswert: 177.000 EUR
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1. ist der Sohn und einzige Abkömmling des geschiedenen und vor seinem Tode alleinlebenden Erblassers.
Mit am 1. Dezember 2017 beim zuständigen Amtsgericht eingegangener notariell beglaubigter Erklärung vom 21. November 2017 schlug der Beteiligte zu 1. die Erbschaft nach dem Erblasser aus und bemerkte hierzu unter anderem:
"Ich habe vom Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt am 23.10.2017.
Der Wert des Nachlasses ist mir nicht bekannt."
Auf Anregung des Vermieters des Erblassers ordnete das Nachlassgericht mit Beschluss vom 12. Dezember 2017 Nachlasspflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 2. zum Nachlasspfleger mit den Wirkungskreisen der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben. Dieser führte bereits in seinem Erstbericht vom 20. Januar 2016 an, unter den Aktiva des Nachlasses befinde sich auch ein Wertpapierdepot mit Saldo per Todestag über 175.000 EUR.
Mit notarieller Urkunde vom 4. Juni 2018 hat der Beteiligte zu 1. seine Erbausschlagung angefochten und, gestützt auf die gesetzliche Erbfolge, einen ihn als Alleinerben nach dem Erblasser ausweisenden Erbschein beantragt. Die Anfechtung betreffend, hat er erklärt:
"Ich habe die Erbausschlagung aufgrund eines .... Irrtums über die Vermögensverhältnisse meines verstorbenen Vaters erklärt.
Ich hatte seit meinen Kindheitstagen und bis zu seinem Tod keinen Kontakt zu meinem Vater. Nach meinem Kenntnisstand zur Zeit meiner Ausschlagungserklärung am 21.11.2017 und bis zum 30.04.2018 bin ich davon ausgegangen, dass mein Vater aufgrund seiner mir bekannten Alkoholkrankheit vermögenslos und, wie von mir befürchtet, verschuldet war. Mein Vater lebte nach dem Tod seiner Lebensgefährtin allein. Nach Mitteilung des Vermieters meines Vaters über den von mir beauftragten Bestatter war die Wohnung meines Vaters zum Zeitpunkt seines Todes vollkommen verwahrlost und haben sich die Wohnungsnachbarn meines Vaters bei dem Vermieter über die Geruchsbelästigung aus der Wohnung bzw. Toilette meines Vaters beschwert.
Aufgrund meiner Ausschlagungserklärung hat das Amtsgericht Duisburg Herrn Rechtsanwalt .... B. .... als Nachlasspfleger eingesetzt ..... Am 30.04.2018 hat mich Herr Rechtsanwalt B. angerufen und mir - für mich vollkommen überraschend - Folgendes mitgeteilt: Im Nachlass meines Vaters befänden sich nach Ausgleich einiger Verbindlichkeiten durch den Nachlasspfleger noch ein Geld-und Wertpapiervermögen von ca. 180.000 EUR. Davon seien als Verbindlichkeiten nur noch 3.000 EUR abzuziehen, die dem Vermieter meines Vaters zustünden. Das vorgenannte Vermögen stamme aus dem Nachlass meiner Großmutter, den zunächst mein Vater und sein Bruder je zur Hälfte geerbt hätten; nach dem Vorversterben des Bruders habe mein Vater auch dessen Vermögen geerbt."
Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1. unter Berufung auf seine wirksame Ausschlagung der Erbschaft, die er nicht durchgreifend angefochten habe, zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist dem Beteiligten zu 1. zu Händen seines Verfahrensbevollmächtigten am 10. Juli 2018 zugestellt worden. Mit am 10. August 2018 um 16.47 Uhr bei der Telefaxstelle des Land- und Amtsgerichts Duisburg sowie am 15. August 2018 beim Amtsgericht Duisburg-Hamborn eingegangenem Telefax hat der Beteiligte zu ...