Leitsatz (amtlich)
Dann das Nachlass- und Beschwerdegericht die Rechtzeitigkeit der Anfechtung der Versäumung der Erbausschlagungsfrist deshalb nicht zuverlässig beurteilen, weil der Anfechtende der ihn treffenden Mitwirkungspflicht (hier: Tatsachen für die Erlangung der Kenntnis vom Anfechtungsgrund) nicht nachgekommen ist, so ist die Anfechtungsfrist als nicht gewahrt, mithin die Anfechtung als nicht wirksam, anzusehen.
Normenkette
BGB § 119 Abs. 1, § 119 Alt. 1, § 119 Alt. 2, § 1945 Abs. 1-2, § 1954 Abs. 1, 2 S. 1, § 1955 Sätze 1-2, § 1956; FamFG §§ 26, 27 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Emmerich (Beschluss vom 22.05.2012; Aktenzeichen 8 VI 16/12) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Das AG wird angewiesen, den Antrag des Beteiligten zu 1. vom 27.4.2012, dem Beteiligten zu 2. eine Frist zur Errichtung des Inventars zu bestimmen, nicht mit der Begründung zurückzuweisen, der Beteiligte zu 2. habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten und die Erbschaft ausgeschlagen.
Geschäftswert: 3.865,58 EUR.
Gründe
I. Mit notariell beurkundetem Testament vom 9.12.2010 setzte der Erblasser zu seinem alleinigen und unbeschränkten Erben seinen Sohn, den Beteiligten zu 2., ein.
Am 18.1.2012 erklärte der Beteiligte zu 2. zur Niederschrift der Rechtsantragstelle des AG die "Anfechtung der Annahme der Erbschaft". Hierzu führte er aus: Von seiner Berufung als testamentarischer Alleinerbe habe er seit dem Todestage seines Vaters Kenntnis. Die Annahme der Erbschaft durch Versäumung der Ausschlagungsfrist fechte er an. Ihm sei nichts über eine bestehende Ausschlagungsfrist bekannt gewesen, vielmehr sei er davon ausgegangen, dass er nicht erben werde, wenn er keine ausdrückliche Annahme erkläre. Nach dieser Anfechtung der Annahme schlage er nunmehr die Erbschaft aus jedem Berufungsgrunde aus. Der Nachlass sei überschuldet; es hätten sich jetzt verschiedene Gläubiger gemeldet, die Forderungen gegen den Erblasser bei ihm - dem Beteiligten zu 2. - geltend machen wollten; die ihm bekannten Forderungen betrügen rund 45.000 EUR; die Einleitung eines Nachlassinsolvenzverfahrens werde er unverzüglich beantragen.
Unter dem 27.4.2012 hat der Beteiligte zu 1. beantragt, dem Beteiligten zu 2. eine Inventarfrist i.S.d. § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB zu setzen. Wegen der von ihm geltend gemachten Forderung gegen den Erblasser hat er sich auf eine Klageschrift vom 20.1.2012 bezogen.
Nach vorangegangener Korrespondenz hat das Nachlassgericht diesen Antrag durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beteiligte zu 2. habe die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten beziehungsweise die Erbschaft ausgeschlagen.
Gegen diesen ihm am 25.5.2012 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seinem am 21.6.2012 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, mit dem er - wie bereits zuvor gegenüber dem Nachlassgericht - die Auffassung vertritt, die vom Beteiligten zu 2. erklärte Anfechtung sei mangels Anfechtungsgrundes nicht wirksam.
Mit weiterem Beschluss vom 6.7.2012 hat das Nachlassgericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat den Beteiligten zu 2. im Beschwerdeverfahren hinzugezogen und ihn darauf hingewiesen, es dürfte sich empfehlen, darzulegen, wann er erstmals erfahren habe, dass es für die Stellung als Erbe eine Ausschlagungsfrist gebe und deshalb seine frühere Auffassung, man erbe nicht, wenn man keine ausdrückliche Annahme erkläre, falsch gewesen sei. Der Beteiligte zu 2. hat hierauf nicht reagiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte und der Testamentsakte 8 IV 62/11 AG Emmerich am Rhein Bezug genommen.
II. Das gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde zulässige Rechtsmittel des Beteiligten zu 1., das nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gem. § 68 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen ist, hat auch in der Sache Erfolg. Mit der vom Nachlassgericht gegebenen Begründung kann der Antrag des Beteiligten zu 1. nicht zurückgewiesen werden. Das Nachlassgericht wird vielmehr die weiteren Antragsvoraussetzungen zu prüfen und über den Antrag erneut zu entscheiden haben.
Die Bestimmung einer Inventarfrist durch das Nachlassgericht nach § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB erfordert zum einen die Glaubhaftmachung der Forderung und seiner Eigenschaft als Nachlassgläubiger durch den Antragsteller, zum anderen dessen Behauptung, der Antragsgegner sei Erbe geworden. Ob letzteres zutrifft, hat das Nachlassgericht alsdann von Amts wegen festzustellen (statt aller: Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl. 2013, § 1994 Rz. 2 m.w.N.).
Hier wäre der Beteiligte zu 2. dann nicht Erbe nach dem Erblasser geworden, wenn er die Versäumung der Ausschlagungsfrist nach §§ 1956, 1954 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, 1955 Satz 1 und 2, 1945 Abs. 1 und 2 BGB wirksam angefochten hätte. Das lässt sich indes nicht feststellen.