Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, unter denen der Inhalt einer notariellen Testamentsurkunde (notarieller Vermerk zur Geschäftsfähigkeit des Erblassers) im Erbscheinsverfahren dem Nachlassgericht Anlass bietet, in die Tatsachenermittlung zur Testierfähigkeit des Erblassers einzutreten.
Normenkette
BGB § 2358 Abs. 1; FamFG §§ 26, 27 Abs. 1-2; BeurkG § 11
Verfahrensgang
AG Langenfeld (Beschluss vom 23.12.2011; Aktenzeichen 47 VI 247/11) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung und das ihr zugrunde liegende Verfahren werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Nachlassgericht zurückverwiesen.
Geschäftswert: 170.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1. und 3. sind als Töchter des vorverstorbenen Bruders des Erblassers dessen Nichten. Bei den Beteiligten zu 2. handelt es sich um den Stiefsohn des Erblassers sowie um dessen Ehefrau.
Am 29.12.2009 errichtete der Erblasser im St. Martinus Krankenhaus in Langenfeld, wohin sich der Notar begeben hatte, ein notariell beurkundetes Testament (UR-Nr. 1977 für 2009 des Notars Dr. S. in Langenfeld). In dieser letztwilligen Verfügung berief der Erblasser zu seinen alleinigen und unbeschränkten Erben die Beteiligten zu 2. zu je ½ Anteil. Vor den vom Erblasser erklärten testamentarischen Anordnungen enthält die Urkunde folgenden Absatz:
"Der Erschienene ist schwer krank. Die vom Notar befragte Stationsärztin Dr. F. vermochte ihm nicht zu bestätigen, dass der Erschienene voll geschäftsfähig ist und ein entsprechendes Attest ausstellen. Der Notar führte daraufhin am gestrigen Tage (28.12.) und nochmals am heutigen Tage mit dem Erschienenen ein längeres Gespräch. Hierbei antwortete der Erschienene auf Fragen genau und zeigte sich insoweit orientiert. Auch die Frage nach der Dauer seines Krankenhausaufenthaltes beantwortete er mit ca. drei Wochen genau und zeigte sich zeitlich orientiert. Auch wenn einerseits positiv von ärztlicher Seite die volle Geschäftsfähigkeit nicht festgestellt werden konnte, ist andererseits der Notar aufgrund seines in den Gesprächen gewonnenen Eindrucks aber nicht davon überzeugt, dass ihm die erforderliche Geschäftsfähigkeit i.S.d. §§ 11, 28 BeUrkG fehlt. Der Notar hat vielmehr den Eindruck gewonnen, dass der Erschienene ansprechbar war und auch - zwar sehr geschwächt, aber präzise und nachvollziehbare - Antworten geben konnte. Dies hat auch eine neurologische Begutachtung von der Neurologin Frau Dr. S. ergeben. Etwa im Übrigen noch verbleibende bloße Zweifel bzgl. der Geschäftsfähigkeit berechtigten den Notar gem. § 11 Abs. 1 S. 2 BeUrkG nicht, die Beurkundung abzulehnen."
Die Beteiligte zu 1. steht auf dem Standpunkt, sie und die Beteiligte zu 3. seien Miterbinnen zu je ½-Anteil nach dem Erblasser aufgrund gesetzlicher Erbfolge geworden. Sie hat die Erteilung eines dementsprechenden Teil-Erbscheins über ihren Erbanteil beantragt. Zur Begründung hat sie sich darauf berufen, dass der Erblasser bei Errichtung des Testaments vom 29.12.2009 testierunfähig gewesen sei.
Dem sind die Beteiligten zu 2. entgegengetreten; sie vertreten hinsichtlich der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers die gegenteilige Ansicht.
Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht den Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Das Testament vom 29.12.2009 sei nicht unwirksam. Eine Testierunfähigkeit des Erblassers stehe nicht zur Überzeugung des Nachlassgerichts fest. Die diesbezügliche Feststellungslast treffe hier die Beteiligte zu 1. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers ergäben sich weder aus der Testamentsurkunde, noch seien sie von der Beteiligten zu 1. derart substantiiert vorgetragen, dass sie gem. § 2358 Abs. 1 BGB dem Nachlassgericht Anlass zu Ermittlungen von Amts wegen gegeben hätten. Der beurkundende Notar habe nicht festgehalten, dass die Erkrankung, an der der Erblasser gelitten habe, geeignet gewesen wäre, dessen Testierfähigkeit aufzuheben oder in Zweifel zu ziehen. Die vom Notar befragte Stationsärztin habe lediglich die Bestätigung der vollen Geschäftsfähigkeit des Erblassers verweigert, nicht aber dessen Geschäfts- und Testierfähigkeit verneint. Aufgrund seiner längeren Gespräche mit dem Erblasser sei der Notar sodann zu der Feststellung gelangt, dass dem Erblasser die für die Beurkundung erforderliche Geschäftsfähigkeit jedenfalls nicht fehle. In dieser Einschätzung habe sich der Notar durch das Ergebnis einer neurologischen Begutachtung bestätigt gefühlt. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass entgegen den Feststellungen des Notars und der Neurologin doch Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bei Errichtung des Testaments bestünden, habe die Beteiligte zu 1. nicht vorgetragen. Weder die Art der Erkrankung des Erblassers, noch die ihm verordnete Medikation sowie deren Auswirkungen auf seinen körperlichen und geistigen Zustand, noch sonstige krankheitsb...