Leitsatz (amtlich)
1. Ficht der Insolvenzverwalter die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO an, hat er die Wertlosigkeit der getilgten Forderung darzulegen und zu beweisen. Stützt er sich zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit des Forderungsschuldners (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO) auf eine Liquiditätsbilanz, müssen die darin enthaltenen Forderungen ernsthaft eingefordert sein. Das ist bei einer geduldeten Überziehung der Kontokorrentkreditlinie hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs der Bank nicht der Fall.
2. Stellt die Bank ihrem Kunden, der die Kreditlinie überzogen hat, den vertraglich vereinbarten höheren Überziehungszinssatz in Rechnung und lässt zudem weitere Verfügungen zu Lasten des Kontos zu, spricht dies für eine geduldete Kontoüberziehung und nicht für eine im Rahmen der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich unbeachtliche "erzwungene Stundung".
Normenkette
InsO § 17 Abs. 2 S. 1, § 134
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 13 O 230/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.05.2019 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (13 O 230/17) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und der Nebenintervention hat der Kläger zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung i.H. von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit i.H. von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 85.072,03 EUR.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 17.02.2015 hin am 31.03.2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der C. GmbH (Schuldnerin) Rückgewähransprüche wegen Zahlungen im Gesamtumfang von 85.072,03 EUR (Aufstellung S. 8 f. der Klageschrift) geltend, die im Zeitraum vom 01.04.2011 bis 15.12.2014 von Konten der Schuldnerin an die Beklagte geleistet worden sind. Die Schuldnerin bildete mit der I.S. GmbH (I.), über deren Vermögen ebenfalls am 31.03.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, die P.-Gruppe. Die Schuldnerin war als Generalunternehmerin für Netzbetreiber in der Telekommunikationsbranche tätig und bediente sich dabei der I. als Ausführende. Die Beklagte vermiete der I. Arbeitsmaschinen und stellte das Personal zur Bedienung der Arbeitsmaschinen zur Verfügung. Ihre Leistungen stellte sie der I. mit einem Zahlungsziel von 45 Tagen in Rechnung (Anl. K 19). Die streitgegenständlichen Zahlungen der Schuldnerin betrafen - entgegen der insoweit missverständlichen Darstellung im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils - Rechnungen der Beklagten an die I. im Zeitraum vom 31.01.2011 bis 20.06.2014.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Zahlungen der Schuldnerin auf die Verbindlichkeiten der I. seien als unentgeltliche Leistungen anfechtbar, weil die I. bereits seit dem 17.02.2011, spätestens aber - wie auch die Schuldnerin - ab dem 01.07.2012 zahlungsunfähig gewesen sei. Außerdem sei die I. überschuldet gewesen. Die Forderungen der Beklagten gegen die I. seien daher wirtschaftlich wertlos gewesen. Es sei zwischen beiden Gesellschaften üblich gewesen, Querzahlungen an ihre Gläubiger vorzunehmen, wobei rein tatsächlich immer das Unternehmen Zahlungen auf fällige Verbindlichkeiten geleistet habe, das gerade über ausreichend liquide Mittel verfügt habe.
Die Beklagte und der Streithelfer - der ehemalige Geschäftsführer der Schuldnerin und der I. - haben geltend gemacht, die I. sei erst ab Dezember 2014 (drohend) zahlungsunfähig gewesen, als die Gläubigerbanken mit einer Kündigung der Darlehen gedroht hätten. Sämtliche offenen Rechnungen bis Dezember 2014 seien beglichen worden. Die in dem Liquiditätsstatus des Klägers per 17.02.2011 (Anl. K 3) berücksichtigte wesentliche Forderung aus der Kontoüberziehung bei der Volksbank W. eG sei insolvenzrechtlich nicht fällig gewesen, weil es sich um eine geduldete Überziehung gehandelt habe. Im Übrigen sei wegen des zwischen der Schuldnerin und der I. vereinbarten Verrechnungsverhältnisses das Gleichgewicht zwischen offenen, fälligen Forderungen gegenüber der - zahlungsfähigen - Muttergesellschaft und offenen, fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten stets gewahrt gewesen.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen und Sachanträge im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 134 InsO seien nicht erfüllt, weil es an der Unentgeltlichkeit der von der Schuldnerin auf die Verbindlichkeiten der I. geleisteten Zahlungen fehle. Die Tilgung einer fremden Schuld sei nur dann als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn die getilgte Forderung im Zeitpunkt der Leistung nicht werthaltig sei. Dies könne hier ...