Leitsatz (amtlich)
1. Benennt der Erblasser in einem eigenhändigen Testament in einer umfangreichen Liste, die mit dem Satz eingeleitet wird: "Im Falle meines Todes bestimme ich die folgenden Vermächtnisse:...", in einer besonderen Ziffer den Zuwendungsempfänger eines Reihenhauses, so ist dieser als Vermächtnisnehmer berechtigt, die Verfügung von Todes wegen einzusehen, allerdings nur hinsichtlich derjenigen Teile der - eröffneten - Verfügung, bezüglich deren er ein rechtliches Interesse hat.
2. Soweit der vom Nachlassgericht in Form einer Ablichtung übersandte, den Bedachten betreffende Teil der Verfügung es als nicht zweifelsfrei erscheinen lassen kann, dass sich seine Stellung auf diejenige eines Vermächtnisnehmers beschränkt und er kein Miterbe geworden ist, kann sich hieraus ein (weiter gehendes) rechtliches Interesse und damit ein umfangreicheres Einsichtsrecht ergeben.
3. Hat der Erblasser im Anschluss an die Benennung sämtlicher Vermächtnisnehmer in einem weiteren Abschnitt seines Testaments (ohne die der Liste der Vermächtnisnehmer vorbehaltene Nummerierung) einen "Haupterben" eingesetzt, so schränkt diese Wertung des Senats das Einsichtsrecht des Bedachten nicht ein, weil er in die Lage versetzt werden muss, jene Wertung aufgrund eigener Beurteilung nachzuvollziehen und eine bloße Unterrichtung über den Verfügungsinhalt durch das Gericht das Einsichtsrecht unzulässig verkürzen würde.
Normenkette
FamFG § 357 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Langenfeld (Beschluss vom 03.03.2016; Aktenzeichen 46 IV 488/15) |
Tenor
Unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wird die angefochtene Entscheidung teilweise geändert.
Über die den Beteiligten zu 1. übersandte Teilablichtung des eigenhändigen Testaments der Erblasserin vom 18.12.2005 hinaus wird ihnen weitere Einsicht in die vorbezeichnete letztwillige Verfügung durch Übersendung der aus der Anlage zum vorliegenden Beschluss ersichtlichen Ablichtung gewährt. Im Übrigen wird ihr Einsichtsgesuch zurückgewiesen.
Gründe
I. Im eigenhändigen Testament der Erblasserin vom 18.12.2005 werden die Beteiligten zu 1. in einer umfangreichen Liste, die mit dem Satz eingeleitet wird: "Im Falle meines Todes bestimme ich die folgenden Vermächtnisse:...", unter Ziffer 3) als Zuwendungsempfänger eines Reihenhauses genannt. Das Testament wurde vom Nachlassgericht ohne Ladung gesetzlicher Erben oder sonstiger Beteiligter am 16.12.2015 eröffnet. Mit Schreiben vom 7.1.2016 übersandte das Nachlassgericht - unter anderem - den Beteiligten zu 1. eine die sie betreffende testamentarische Anordnung enthaltende Teilablichtung der letztwilligen Verfügung sowie eine Abschrift der über die Eröffnung gefertigten Niederschrift. Außerdem teilte das Nachlassgericht ihnen mit, dass sie sich wegen ihres Vermächtnisanspruches bitte an den Beteiligten zu 2. wenden sollten.
Daraufhin haben die Beteiligten zu 1. beantragt, ihnen Akteneinsicht "in sämtliche Nachlassakten der Erblasserin" zu gewähren. Diesen Antrag hat das Nachlassgericht durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen.
Gegen den ihnen am 16.3.2016 zugestellten Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1. mit ihrem am 15.4.2016 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel. Nachdem sie mit diesem zunächst beantragt hatten, ihnen "Akteneinsicht in die Nachlassakte der Erblasserin" zu gewähren, haben sie ihr Begehren auf fernmündliche Nachfrage des Senats alsdann dahin gefasst, dass sie Einsicht in den vollständigen Inhalt der eröffneten letztwilligen Verfügung erhalten wollten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Testamentsakte Bezug genommen.
II. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1. ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach der vom Nachlassgericht mit weiterem Beschluss vom 20.4.2016 erklärten Nichtabhilfe und Vorlage der Sache an das Beschwerdegericht ist es dem Senat zur Entscheidung angefallen. In der Sache hat die Beschwerde in dem aus der hiesigen Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Nach der gegenüber dem Senat erfolgten Klarstellung des Rechtsmittelbegehrens geht es den Beteiligten zu 1. allein um eine - vollständige - Einsicht in eine eröffnete Verfügung von Todes wegen. Eine solche beurteilt sich nach § 357 Abs. 1 FamFG. Nach dieser Vorschrift ist, wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, berechtigt, eine eröffnete Verfügung von Todes wegen einzusehen; dementsprechend kommt es darauf, ob den Beteiligten zu 1. eine Beteiligtenstellung gemäß §§ 7, 345 FamFG zukommt, nicht an.
Dass sich die Beteiligten zu 1. als Vermächtnisnehmer auf ein derartiges rechtliches Interesse berufen können, unterliegt keinem Zweifel. Auch ist das Testament vom 18.12.2005 vom Nachlassgericht eröffnet worden.
2. Näherer Behandlung bedarf allein der Umfang des Einsichtsrechts der Beteiligten zu 1.
a) Hierzu wird vertreten, das Einsichtsrecht erstrecke sich auf den gesamten Inhalt der eröffneten Verfügung und n...