Leitsatz (amtlich)
1. In Fällen mit Auslandsberührung setzt die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO voraus, dass gegenüber sämtlichen Streitgenossen die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben ist.
2. Zu den unerlaubten Handlungen i.S.v. Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO zählen auch Geschäftsgeheimnisverletzungen.
3. Da sich die örtliche Zuständigkeit für Klagen, durch die Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht werden, nach § 15 Abs. 2 S. 1 GeschGehG ausschließlich anhand des allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten bestimmt, ist der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO bei Geschäftsgeheimnisstreitsachen ausgeschlossen.
4. § 15 Abs. 2 S. 2 GeschGehG regelt die örtliche Zuständigkeit für Fälle, in denen der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat und somit die Zuständigkeitsregelung gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 GeschGehG nicht eingreift. Hat der Beklagte seinen Wohnsitz bzw. Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit jedoch nach der Brüssel Ia-Verordnung.
6. Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO regelt ebenso wie Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO nicht nur die internationale Zuständigkeit, sondern auch die örtliche Zuständigkeit.
7. Soweit eine Zuständigkeit nach Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO gegeben ist, scheidet ein Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich aus.
9. Dass für Klagen, durch die Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht werden, das Gericht ausschließlich örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 15 Abs. 2 S. 1 GeschGehG), schließt eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht aus.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4a O 48/21) |
Tenor
Zum zuständigen Gericht für den Rechtsstreit wird das Landgericht Nürnberg-Fürth bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin beantragt die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für eine Klage, die sie beim Landgericht Düsseldorf eingereicht hat. Mit dieser nimmt sie die Beklagten wegen behaupteter Geschäftsgeheimnisverletzung auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Herausgabe von Dokumenten, Rückruf sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz in Anspruch.
Die in A. (Thüringen) geschäftsansässige Klägerin stellt Rührgeräte für den apothekarischen Bedarf her und vertreibt diese unter der Marke "X.". Ihren Geschäftsbetrieb erwarb sie im Frühjahr 2016 aus der Insolvenz der F. GmbH & Co. KG (nachfolgend: F.), die zuvor als "F. ..." firmierte. Die F. hatte ihren Geschäftsbetrieb ihrerseits im Jahre 2003 aus der Insolvenz der G. GmbH (nachfolgend: G.) erworben.
Die Beklagte zu 1., deren Registersitz B. und deren tatsächlicher Geschäfts- bzw. Verwaltungssitz in C. (Bayern) ist, stellt ebenfalls Rührgeräte für den apothekarischen Bedarf her. Diese werden unter den Bezeichnungen "X. 1" und "X. 2" vermarktet. Die Beklagte zu 1. gehört zum D.-Konzern, dessen Hauptsitz sich in den Niederlanden befindet und der ein eigenes weltweites Vertriebsnetz unterhält, direkt an Apotheker vertreibt und hierfür die Eigenmarke "X. 2" nutzt. Die Beklagte zu 1. vertreibt die Geräte unter der Bezeichnung "X. 1" weltweit an gewerbliche Kunden wie Distributoren und Händler. Ihren Geschäftsbetrieb erwarb die Beklagte zu 1. im März/April 2016 aus den Insolvenzen der E. 1 GmbH sowie der E. 2 GmbH (nachfolgend auch: E.) von dem Beklagten zu 7. in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen dieser Gesellschaften.
Die in den Niederlanden geschäftsansässige Beklagte zu 2. leitet die operativen Tätigkeiten des D. Konzerns und ist alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 1. Sie vertreibt ebenfalls die von den Beklagten zu 1. hergestellten Rührgeräte unter der Eigenmarke "X. 2", wobei die Geräte über die Webseite www.X. 2.com angeboten werden.
Die Beklagten zu 3. bis 6. sind Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Der Beklagte zu 3. ist in H. und der Beklagte zu 4. ist in I. ansässig. Die Beklagten zu 3. und 4. waren zuvor jeweils Geschäftsführer der E. 1 GmbH. Die Beklagte zu 5. ist in den Niederlanden wohnhaft, der Beklagte zu 6. in Spanien. Die Beklagten zu 5. und 6. sind zugleich Geschäftsführer (Director) der Beklagten zu 2. Die Beklagte zu 5. ist außerdem Chief Financial Officer (CFO) und der Beklagte zu 6. ist außerdem Chief Executive Officer (CEO) bei der Konzernmutter von D..
Der Beklagte zu 7. ist in J. ansässig. Zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der E. 1 GmbH sowie der E. 2 GmbH wurde er jeweils vom Amtsgericht Bamberg bestellt.
Die E.-Unternehmen gehen bzw. gingen auf den Apotheker K. in H. zurück, der die grundlegende Idee hatte, automatische Rührgeräte für den apothekarischen Bereich anzubieten. E. und die G./F. arbeiteten in der Vergangenheit zusammen. Nach den Angaben der Klägerin ließ E. die Rührgeräte von G./F. entwickeln und herstellen. Die Rührgeräte vertrieb E. unter der Bezeichnung "...1". Einen ersten Vertrag über die Entw...