Leitsatz (amtlich)

Im Falle einer zur Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats führenden Unterschreitung der Mitgliederzahl hat das Registergericht nach § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG, der gegenüber § 104 Abs. 2 AktG spezielleren Vorschrift, auf Antrag des Vorstands den Aufsichtsrat ohne Bindung an die dreimonatige Frist und ohne das Vorliegen eines dringenden Falles auf die zur Beschlussfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern zu ergänzen.

 

Normenkette

AktG § 104 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 108 Abs. 2 S. 4; FamFG § 69 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Beschluss vom 26.11.2009)

 

Tenor

Der vorbezeichnete Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten an das AG zurückverwiesen.

Das AG - Registergericht wird angewiesen, von den im angefochtenen Beschluss vom 26.11.2009 angeführten Bedenken Abstand zu nehmen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 50.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Aufsichtsrat der nicht der Mitbestimmung unterliegenden Gesellschaft besteht gemäß der Satzung aus drei Mitgliedern.

Zwei Aufsichtsratsmitglieder haben ihre Ämter als Mitglieder des Aufsichtsrats mit Schreiben vom 13.10.2009, der Gesellschaft zugegangen am selben Tage bzw. Schreiben vom 13.10.2009, der Gesellschaft zugegangen am 26.10.2009, mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Dem Aufsichtsrat gehört damit nur noch ein Mitglied an.

Der Vorstand der Gesellschaft hat unter dem 29.10.2009 (Eingang: 30.10.2009) unter Hinweis auf die Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats (§ 108 Abs. 2 Satz 3 AktG) gebeten, zwei namentlich bezeichnete Ersatzaufsichtsratsmitglieder zu bestellen.

Das AG hat nach Hinweis, dass eine Ergänzungsbestellung gem. § 104 Abs. 2 Satz 1 AktG mangels Dringlichkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten in Betracht komme, durch Beschluss vom 26.11.2009 den Antrag abgelehnt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, mangels Darlegung eines dringenden Falles komme eine Ergänzungsbestellung gem. § 104 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht vor Ablauf von drei Monaten in Betracht und seien die Niederlegungsschreiben der Aufsichtsräte K. und F. der Gesellschaft erst am 13. bzw. 26.10.2009 zugegangen.

Die vom Antrag stellenden Vorstand ggü. der Anwendung von § 104 Abs. 2 AktG und zur Begründung der bloßen Anwendung von § 104 Abs. 1 AktG angeführte Unterscheidung zwischen Ersatzbestellung wegen Unvollständigkeit oder Beschlussunfähigkeit sei unerheblich, da im vorliegenden Fall zugleich beide Varianten gegeben seien, d.h. Beschlussunfähigkeit wegen Nichterrei-chens der gesetzlichen Mindestanzahl vorliege. § 104 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 i.V.m. Satz 2 AktG treffe insofern speziell für das Nichterreichen der durch Gesetz festgesetzten Zahl die hier einschlägige Ausgestaltung.

Gegen diesen - am 4.12.2009 zugestellten - Beschluss hat der Beteiligte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.12.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses durch das Registergericht zwei namentlich genannte Ersatzaufsichtsratsmitglieder, zu bestellen.

Er macht geltend, nach der eindeutigen Konzeption des Gesetzes betreffe § 104 Abs. 1 AktG den Fall der Ergänzung des Aufsichtsrats wegen Beschlussunfähiqkeit, die vorliege, wenn dem Aufsichtsrat weniger als drei Mitglieder angehören (§ 108 Abs. 2 Satz 3 AktG). Demgegenüber gelte § 104 Abs. 2 AktG bei solchen Fallgestaltungen, in denen der Aufsichtsrat zwar unterbesetzt, aber eben immer noch beschlussfähig sei (s. § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG).

Demgemäß komme vorliegend allein die Vorschrift des § 104 Abs. 1 AktG zum Tragen, deren Voraussetzungen mit der Amtsniederlegung durch die beiden Aufsichtsratsmitglieder ersichtlich erfüllt seien. Der Darlegung eines dringenden Falles i.S.d. § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG bedürfe es daher nicht.

II. Die gem. §§ 13, 104 Abs. 1 Satz 5 AktG; 58 Abs. 1; 63 Abs. 1, 375 Nr. 3, 377 Abs. 1 FamFG zulässige befristete Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Das AG - Registergericht - hat zum Einen den Antrag bereits von Anfang an zu Unrecht abgelehnt (1.); überdies darf der Antrag jedenfalls nach gegenwärtigem Stand nicht mehr abgelehnt werden (2.)

1. Das AG durfte die Ergänzung des Aufsichtsrats der Gesellschaft als solche nicht ablehnen.

a) Gehört dem Aufsichtsrat die zur Beschlussfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern nicht an, so hat ihn das Gericht auf Antrag u. A. des Vorstands zu ergänzen (§ 104 Abs. 1 Satz 1 AktG), wobei der Vorstand verpflichtet ist, den Antrag unverzüglich zu stellen, es sei denn, dass die rechtzeitige Ergänzung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist (§ 104 Abs. 1 Satz 2 AktG).

Gehören dem Aufsichtsrat länger als drei Monate weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl an, so hat ihn das Gericht auf Antrag auf diese Zahl zu ergänzen (§ 104 Abs. 2 Satz 1 AktG) In dringenden Fällen (dazu Hüffer, Aktiengesetz 8. Aufl. 2008 Rz. 7) hat das Gericht auf Antrag den Aufsichtsrat auch vor Ablauf der Frist zu ergänzen (§ 104 Abs. 2 Satz 2 AktG).

b) Laut § 10 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der nicht mitbestimmten Gesellschaft ...

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