Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Streit zwischen zwei Forderungsprätendenten über die Auszahlung von hinterlegten Geldbeträgen steht dem wirklichen Rechtsinhaber gegen den anderen Prätendenten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung zu, denn letzterer hat durch das vom Schuldner gewählte Vorgehen auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Stellung eines Hinterlegungsbeteiligten erlangt.
2. Ein Verteidiger, der in Erfüllung einer mit dem Mandanten getroffenen Vereinbarung zum Zweck der sofortigen Hinterlegung einer Kaution bei Gericht Gelder von dritter Seite für seinen Mandanten entgegennimmt, begründet dadurch regelmäßig keine zusätzlichen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Geldgeber, sondern handelt vielmehr in der Regel allein als Vertreter seines Mandanten.
Normenkette
BGB §§ 812, 378; BRAO § 43a
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 04.11.2011; Aktenzeichen 1 O 167/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4.11.2011 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Mönchengladbach abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, der Auszahlung des bei der Hinterlegungsstelle des AG Berlin-Tiergarten unter dem Hinterlegungsaktenzeichen 87 HL 3725/10 hinterlegten Betrags i.H.v. 20.000 EUR an die Klägerin zuzustimmen.
Die weiter gehende Klage sowie die Widerklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Beklagte. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und - in Abänderung der durch das LG erfolgten Festsetzung - auch für die erste Instanz auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht des Zeugen Y. (§ 398 BGB) von dem Beklagten die Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Betrages verlangen.
1. Zutreffend ist zunächst der rechtliche Ausgangspunkt des LG:
Bei einem Streit zwischen zwei Forderungsprätendenten über die Auszahlung von hinterlegten Geldbeträgen steht dem wirklichen Rechtsinhaber gegen den anderen Prätendenten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung zu, denn letzterer hat durch das vom Schuldner gewählte Vorgehen auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Stellung eines Hinterlegungsbeteiligten erlangt (vgl. BGHZ 35, 165, 170; BGHZ 109, 240, 244; BGH, NJW 1994, 847;NJW-RR 1997, 495 ff.; NJW 2000, 291; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 15.2.2010 - 4 W 11/10, nach Juris). Für die Frage der Freigabepflicht ist dabei die Gläubigerstellung gegenüber dem hinterlegenden Schuldner - d.h. hier der Zeugin S. - und nicht das Innenverhältnis zwischen den Prätendenten maßgebend (BGH, NJW 2000, 291, 294 = MDR 2000, 46; NJW-RR 1997, 495 ff.; 2007, 845, 846; OLG Zweibrücken, a.a.O.). Der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB setzt auch nicht voraus, dass der klagende Prätendent bei der Hinterlegung als Berechtigter benannt worden ist. Maßgeblich ist allein, ob dem klagenden Prätendenten die Forderung gegen den Schuldner zustand oder zusteht (vgl. BGH NJW-RR 2007, 845, 846; 1994, 847).
2. Danach könnte eine Freigabeklage sowohl der Klägerin als auch des Beklagten aus eigenem Recht nur Erfolg haben, wenn die jeweilige Partei Inhaber des Anspruchs gegen die Zeugin S. auf Herausgabe des als Kaution hinterlegten Betrages war, von dem diese gem. § 378 BGB frei geworden ist. Davon ist jedoch nicht auszugehen, dies unabhängig davon, ob der hinterlegte Betrag von der Klägerin oder dem Beklagten stammte. Die Zeugin S. war vielmehr allein ihrem Mandanten, dem Zeugen Y., verpflichtet; nur mit diesem verbanden sie vertragliche Beziehungen. Nach Wegfall des Sicherungszwecks hatte sie mithin den Kautionsbetrag an ihren Mandanten auszukehren.
a) Ein Verteidiger, der in Erfüllung einer mit dem Mandanten getroffenen Vereinbarung zum Zweck der sofortigen Hinterlegung einer Kaution bei Gericht Gelder von dritter Seite für seinen Mandanten entgegennimmt, begründet dadurch regelmäßig keine zusätzlichen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Geldgeber, sondern handelt vielmehr in der Regel allein als Vertreter seines Mandanten. Dies folgt im Ansatz schon aus dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO), weil die Interessen des Dritten in der Regel nicht mit denjenigen der vom Rechtsanwalt vertretenen Partei identisch sind, vielmehr insoweit Gegensätze und Konfliktlagen auftreten können (vgl. BGH NJW-RR 2007, 267; NJW 2004, 3630, 3631; NJW 2009, 840). Dies trifft auch bei der Bereitstellung eines Geldbetrages als Kaution zu. Für die Annahme einer treuhänderischen Verwaltung besteht in Fällen, in denen der Anwalt - wie hier - lediglich einen Geldbetrag zu Kautionszwecken entgegennimmt, kein Anlass, weil er das Geld nicht für den Einzahler verwaltet, sondern es alsbald entsprechend der vom Mandanten erteilten Weisung an die Hinterlegungss...