Entscheidungsstichwort (Thema)
Legitimationsvergünstigung des § 11 ALB bei Zahlung des Lebensversicherers an nichtberechtigten Dritten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Lebensversicherer, der an einen Dritten zahlt, der den Versicherungsschein in Händen hat, ist nicht gezwungen, von der Legitimationsvergünstigung des § 11 ALB Gebrauch zu machen, wenn er später erkennt, dass dieser Dritte nicht der wahre Gläubiger ist.
2. Anders ist es nur, wenn der Lebensversicherer die mangelnde materielle Berechtigung des Inhabers des Versicherungsscheins kannte oder er zumindest Zweifel an ihr hatte, er sich aber entschieden hatte, im Hinblick auf die Legitimation des § 11 ALB gleichwohl an ihn zu zahlen (im Anschluss an OLG Hamm v. 24.2.1995 - 20 U 319/94, OLGReport Hamm 1996, 18 = VersR 1996, 615).
3. Liegen die unter 2) genannten Voraussetzungen nicht vor und muss der Dritte deshalb die Versicherungsleistung an den Versicherer zurückzahlen, hat der Dritte kein schützenswertes Interesse daran, die Rückzahlung von der Rückgabe des Versicherungsscheins abhängig zu machen, wenn der Versicherer an den tatsächlich Berechtigten gezahlt hat, denn dann ist der Versicherer Eigentümer des Scheins.
Normenkette
ALB § 11; BGB §§ 812, 818
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 04.05.2004; Aktenzeichen 3 O 424/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4.5.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Kleve - Einzelrichter - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.783,79 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 20.7.2002 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithilfe werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt eine an die Beklagte gezahlte Lebensversicherungs-Leistung (Rückkaufwert, Gewinnanteile) zurück.
Bei dem klagenden Versicherungsunternehmen unterhielt der Versicherungsnehmer D. eine Lebensversicherung (Police GA 8). Im Jahre 1989 trat der Versicherungsnehmer seine Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an die Sparkasse A. sicherungshalber ab (vgl. GA 10), was der Klägerin ordnungsgemäß angezeigt wurde (GA 12, GA 11). Im Jahre 1994 erklärte die Sparkasse A. - um dem Versicherungsnehmer steuerliche Vorteile zu erhalten - formularmäßig unter bestimmten Voraussetzungen den Verzicht auf die für den Erlebensfall begründeten vertraglichen Rechte (vgl. GA 14). Für den Todesfall blieb es bei dem bisherigen Vertragszustand (GA 14). Im Jahre 1996 trat der Versicherungsnehmer D. seine Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag nochmals an die Beklagte ab, was der Klägerin ebenfalls ordnungsgemäß angezeigt wurde (GA 15, GA 16). Die Klägerin bestätigte die Anzeige und teilte mit Schreiben vom 15.7.1996 (GA 17) mit, Rechte Dritter seien ihr nicht bekannt. Die Beklagte schloss den Darlehensvertrag mit den Eheleuten D. am 29.7.1996 (GA 159/160). Mit Schreiben vom 27.4.2000 (GA 18) kündigte die Beklagte die Lebensversicherung und bat um Auszahlung des Guthabens. Den Versicherungsschein legte sie vor (vgl. GA 19). Am 28.6.2000 überwies die Klägerin der Beklagten 36.737,90 DM = 18.783,79 EUR. Mit Schreiben vom 10.7.2002 (GA 19) forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Erstattung des ausgezahlten Betrags auf. Sie erläuterte, erst aufgrund einer Anfrage der Sparkasse A. festgestellt zu haben, seinerzeit die vorrangig zugunsten der Sparkasse A. erfolgte Abtretung übersehen zu haben. Später zahlte die Klägerin Rückkaufswert und Gewinnanteile (nochmals) an die Sparkasse A. aus. Die Klägerin hat gemeint, an die Beklagte rechtsgrundlos geleistet zu haben. Von den Legitimationswirkungen des Versicherungsscheins (vgl. § 11 Abs. 1 ALB - GA 24 - § 808 BGB) wolle sie keinen Gebrauch machen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.783,79 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.7.2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, die Klägerin habe an sie, da sie den Versicherungsschein vorgelegt habe, als Berechtigte gezahlt. Jedenfalls brauche sie nichts zurückzuzahlen, ohne dass die Klägerin ihr den Versicherungsschein zurückgebe, was diese jedoch nicht mehr könne. Eine etwaige Bereicherung sei entfallen, weil sie die erhaltene Zahlung der Kreditschuld des Herrn D. gutgebracht habe. Sie erhebe die Einrede der Verjährung. Auch sei ein etwaiger Anspruch der Klägerin verwirkt. Schließlich rechne sie hilfsweise mit Schadenersatzansprüchen auf. Ohne die unrichtige Bestätigung der Klägerin hätte sie D. keinen Kredit gewährt.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei durch Auszahlung an die Beklagte von ihren Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag frei geworden (§ 11 ALB, § 808 BGB). Ein nachträglicher Verzicht auf die Erfüllungswirkung sei nicht möglich.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung ...