Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 2 O 58/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.01.2017 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal (Az. 2 O 58/16) abgeändert und das Versäumnisurteil des Landgerichts Wuppertal vom 09.09.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin, die Kosten ihrer Säumnis in erster Instanz trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht geltend, aufgrund eines Vorfalls vom 08.07.2015 auf der A. Straße in B., bei dem ihr Fahrzeug durch einen umstürzenden Baum beschädigt worden ist.

Wegen der Feststellungen wird gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 3.947,32 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichteten Klage stattgegeben und ausgeführt, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil sie bei ihrer Baumbegehung keine eingehendere Untersuchung des Baumbestandes veranlasst habe.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie macht geltend, sie treffe schon keine Verkehrssicherungspflicht, weil an dem dann umgestürzten Baum bei der Baumbegehung keine Anzeichen vorhanden gewesen wären, wonach dieser gefährdet gewesen sei. Ein Kausalzusammenhang hätte nur dann vorgelegen, wenn sie einen Umstand hätte bemerken müssen, der dann Ursache für das Umfallen des Baumes geworden wäre. Auf einen Anscheinsbeweis könne sich die Klägerin dabei nicht berufen.

Sie beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 06.01.2017 (Az. 2 O 58/16) das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 09.09.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrages als zutreffend.

Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

II. Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG i.V.m. §§ 9, 9a StrWG NRW zu.

1.Die in Nordrhein-Westfalen gemäß §§ 9, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StrWG NRW hoheitlich ausgestaltete Straßenverkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf den Schutz vor Gefahren durch Straßenbäume (BGH, Urteil vom 21. Januar 1965 - III ZR 217/63, juris). Ihre Verletzung ist daher geeignet, Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu begründen.

2.Eine schadensursächliche schuldhafte Pflichtverletzung von Bediensteten der Stadt hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen, worauf der Senat mit Verfügung der Vorsitzenden vom 27.03.2018 hingewiesen hat. Eine Pflichtverletzung liegt nicht schon darin, dass der Baum überhaupt in den Straßenraum gestürzt ist. Dies ist zunächst nur ein Naturereignis. Eine haftungsbegründende Pflichtverletzung könnte allenfalls darin liegen, dass Bedienstete der Stadt Kontroll- und/oder Sicherungsmaßnahmen in Bezug auf den Baum unterlassen haben.

Die straßenverkehrssicherungspflichtige Gemeinde muss Bäume oder Teile von ihnen entfernen, die den Verkehr gefährden, insbesondere, wenn sie nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen. Zwar stellt jeder Baum an einer Straße eine mögliche Gefahrenquelle dar, weil durch Naturereignisse sogar gesunde Bäume entwurzelt oder geknickt oder Teile von ihnen abgebrochen werden können. Andererseits ist die Erkrankung oder Vermorschung eines Baumes von außen nicht immer erkennbar; trotz starken Holzzerfalls können die Baumkronen noch völlig grün sein und äußere Krankheitszeichen fehlen. Ein verhältnismäßig schmaler Streifen unbeschädigten Kambiums genügt, um eine Baumkrone rundum grün zu halten. Das rechtfertigt aber nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen; denn der Verkehr muss gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt in solchen Fällen nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen (BGH, Urteil vom 04.03.2004 - III ZR 225/03 - jurion). Der Umfang der notwendigen Überwachung und Sicherung kann nicht an dem gemessen werden, was zur Beseitigung jeder Gefahr erforderlich ist; es ist unmöglich, den Verkehr völlig risikolos zu gestalten. Die Behörden genügen daher ihrer Sicherungs- und Überwachungspflicht, wenn sie - außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse - eine eingehende Untersuchung dort vornehmen, wo besondere Umstände - wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer ...

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