Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Versicherers bei Abschluss einer Erstrisikoversicherung auf Ersatz des Neuwertschadens
Leitsatz (amtlich)
Der Versicherungsnehmer, der eine Gebäudeversicherung beantragt hat und behauptet, er habe für sein damals erst zu errichtendes Haus noch keinen Wert angeben können und deshalb auf Anraten des Vermittlers eine Erstrisikoversicherung beantragt, ohne dass dies im Antragsformular seinen Niederschlag gefunden hat, und der sodann ohne Hinweis auf die Abweichung vom Antrag einen Versicherungsschein erhalten hat, nach dem die Klausel 847 (Erstrisikoversicherung mit Ausschluss der §§ 56 VVG, 7 Nr. 2 VGB) eingeschlossen ist, hat Anspruch auf Entschädigung des Neuwertschadens ohne Abzug wegen Unterversicherung.
Normenkette
VVG §§ 5, 56; VGB 62 § 7 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 11 O 49/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.5.2000 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer – Einzelrichter – des LG Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils wie folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden Gebäudeversicherung, Vers.-schein-Nr. 68/37-0200-89370001-9 verpflichtet ist, den bei dem Brandereignis vom 25.5.1999 an dem Einfamilienhaus des Klägers, … in … entstandenen Neuwertschaden zu entschädigen, ohne sich dabei auf Unterversicherung berufen zu können
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 16.000 DM abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit kann durch Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung mit einer Versicherungssumme von 45.000 Mark (Wert: 1914). Den Versicherungsantrag nahm am 26.12.1988 der Versicherungsvermittler Ch.R., B., der auch auf dem Versicherungsschein mit der Vertretungs-Nr.: 37/3902 vermerkt ist, auf einem Vordruck der C.V. a.G. auf. In dem Antragsvordruck heißt es unter der Überschrift
Haftungserweiterung.
„1. Erhöhung des Betrages für Aufräumungs-, Abbruch-, Bewegungs- und Schutzkosten sowie Feuerlöschkosten auf Erstes Risiko – Klauseln 842, 893, 844 – (3 % sind mitversichert – 4.1) auf 5 %/7 %.”
Die vor den Angaben 5 % bzw. 7 % eingefügten viereckigen Kästchen enthalten keine Eintragung. Diesen Antrag nahm die Beklagte mit Wirkung ab dem 27.12.1998 an. Aus dem Versicherungsschein geht hervor, dass Aufräumungs-, Abbruch-, Bewegungs- und Schutzkosten bis 3 % mitversichert sind.
Darüber hinaus werden die Klauseln 842, 843 und 847 eingeschlossen. Ausweislich des dem Versicherungsschein beigefügten Klauselbogens hat die Klausel 847 folgenden Wortlaut:
„Erstrisikoversicherung
Soweit Versicherung auf Erstes Risiko (Erste Gefahr) vereinbart ist, gelten die §§ 56 VVG, 7 Nr. 2 VGB (Unterversicherung) nicht.”
Am 25.5.1999 kam es in dem Einfamilienhaus des Klägers zu einem Brandschaden. Im Rahmen der Schadensregulierung teilte die Beklagte, die bis dahin bereits Vorschusszahlungen i.H.v. 500.000 DM erbracht hatte, dem Kläger mit Schreiben vom 20.12.1999 mit, hinsichtlich der Schadenshöhe gehe sie unverbindlich von folgenden Cirkawerten aus:
„Schaden zum Neuwert 680.000 DM
Aufräumungs- und sonstige Kosten 27.000 DM
Unterversicherung: 19 %.”
Der Kläger hat geltend gemacht: Er bestreite, dass eine Unterversicherung vorliege. Ungeachtet dessen könne sich die Beklagte darauf aber aufgrund der vereinbarten Erstrisikoversicherung nicht berufen. Den Abschluss einer Erstrisikoversicherung, die sich nicht nur auf Aufräumungs-, Abbruch-, Bewegungs- und Schutzkosten sowie Feuerlöschkosten beziehe, habe er für das gesamte Vertragsverhältnis auf Anraten des Versicherungsvermittlers R., bei dem es sich um einen Agenten der Beklagten handele, beantragt, weil er sich außerstande gesehen habe, den Ermittlungsbogen für die Versicherungssumme 1914 auszufüllen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei nämlich gerade erst der Keller für das noch zu errichtende Wohnhaus ausgehoben gewesen. Konkrete Wertangaben habe er daher noch gar nicht machen können.
Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass sich die Beklagte ihm ggü. bezüglich der zwischen den Parteien bestehenden Wohngebäudeversicherung zu Versicherungsschein-Nr. 68/37-0200-89370001-9 nicht auf Unterversicherung berufen könne.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht: Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei es überhaupt noch nicht möglich gewesen, das Unterversicherungsrisiko vollständig auszuschließen. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der Klausel 847. Diese finde in dem Antragsformular der C.V. überhaupt keine Erwähnung. Was unter der Klausel 847 zu verstehen sei, werde im Versicherungsantrag unter Ziff. 4 Nr. 1 im Rahmen der Haftungserweiterung ausgeführt. Nur auf die dort angesprochenen Kosten könn...