Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Auslegung von Strafversprechen ist regelmäßig davon auszugehen, dass gleichwertige Verstöße miterfasst sind. Zur Bestimmung des Umfangs einer Unterlassungsverpflichtung kann auf die zu § 890 ZPO entwickelte sog. Kerntheorie zurückgegriffen werden, die die "im Kern" identischen Umgehungshandlungen, die vom Unterlassungsgebot mit erfasst sind, bestimmt.
2. Während bei § 890 ZPO mit Blick auf die Rechtsnatur des Titels und die echte Ahndungsfunktion eine restriktive Auslegung geboten ist, gibt es keinen Grundsatz enger Auslegung vertraglicher Unterlassungspflichten. Zudem können die Parteien auch vereinbaren, dass sich die Unterlassungsverpflichtung bewusst und eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungshandlung beziehen soll.
3. Für die Reichweite von Unterlassungsvereinbarungen ist daher der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB) maßgebend, zu dessen Ermittlung im Wege der Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck sowie das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und ihre Interessenlage heranzuziehen sind.
4. Dabei kann regelmäßig ergänzend zu berücksichtigen sein, ob der (Unterlassungs-)Gläubiger seine Abmahnung - ggf. unter anwaltlicher Hilfe - in einer bestimmten Weise (vor-)formuliert bzw. auf eine konkrete Verletzungsform beschränkt hat. In einem solchen Fall ist es nicht Sache der Gerichte, eine erweiternde bzw. ergänzende Auslegung zu Lasten des Unterlassungsschuldners vorzunehmen.
5. Die vorstehenden Grundsätze gelten grundsätzlich - unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG - auch für die Pflicht zur Unterlassung von (ggf. kritischen) Äußerungen.
Verfahrensgang
LG D. (Urteil vom 19.11.2014; Aktenzeichen 5 O 209/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG D. vom 19.11.2014 abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 EUR nebst Prozesszinsen wegen des Verstoßes gegen eine Unterlassungsverpflichtungserklärung des Beklagten vom 10.12.2013 (Anlage K 1, 13 ff. GA). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat der Klage entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Parteien hätten das Vertragsstrafeversprechen wirksam vereinbart. Der Beklagte habe dem Kläger die Vereinbarung eines Vertragsstrafeversprechens durch die Zusendung der Verpflichtungserklärung vom 10.12.2013 (Anlage K 1, 13 ff. GA) angeboten. Der Zugang der Annahmeerklärung des Klägers bei dem Beklagten sei gemäß § 151 BGB entbehrlich. Die Übermittlung der Unterlassungserklärung enthalte einen stillschweigenden Verzicht auf den Zugang der Unterlassungserklärung enthalte, da die Unterlassungserklärung nicht bzw. nicht in einem wesentlichen Punkt von dem abweiche, was der Kläger als Gläubiger verlangt habe. Mit der Abgabe der Erledigungserklärung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren (LG D. 5 O 500/13) durch Faxschreiben vom 10.12.2013 habe der Kläger seinen Annahmewillen objektiv erkennbar bestätigt, wobei die Kenntnis des Beklagten als Gegner hiervon nicht erforderlich sei.
Die Vereinbarung der Vertragsstrafe sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Petitionsrecht aus Art. 17 GG sittenwidrig (vgl. im Einzelnen Seite 7 des Urteils).
Der Beklagte habe gegen die Verpflichtungserklärung vom 10.12.2013 verstoßen, indem er die E-Mail vom 17.12.2013 versendet habe. Der Beklagte habe darin die zu unterlassenden Behauptungen erneut aufgestellt, da der Umfang der Unterlassungspflicht auch "im Kern" identische Umgehungsweisen erfasse und das Vertragsstrafeversprechen insoweit wie ein Unterlassungstitel auszulegen sei.
Die dortige Erklärung des Beklagten, er habe keine Unterlassungserklärung abgegeben, sei unzutreffend.
Auch die dortige Behauptung des Beklagten, das LG D. werde die beantragten einstweiligen Verfügungen nicht erlassen, sei unzutreffend.
Der Beklagte stelle dort auch nicht lediglich die Behauptung auf, die Stadt D. erteile notorisch rechtswidrige Baugenehmigungen. Spätestens durch den Satz "Offensichtlich will die Stadt D. an dieser schändlichen Amigo-Begünstigung einzelner wohlhabender, einflussreicher Bürger dieser Stadt unbeirrt weiter festhalten", gebe der Beklagte zu verstehen, dass er seine Äußerungen in Bezug auf das Mitwirken des Klägers an der Erteilung einer rechtswidrigen Baugenehmigung für Herrn B. weiter aufrecht erhalte. Der Beklage beschwere sich nicht nur darüber, dass die Stadt D. rechtswidrige Baugenehmigungen erteile, indem er z.B. die Fachkompetenz der zuständigen Mitarbeiter anzweifele, sondern er stelle die Behauptung auf, dass die rechtswidrigen Baugenehmigungen bewusst zu...