Entscheidungsstichwort (Thema)

Diesel-Skandal: Keine Ansprüche gem. § 826 BGB bei fahrlässiger Verkennung der Rechtslage wegen Thermofenster

 

Normenkette

BGB § 826

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 28.04.2022; Aktenzeichen 19 O 347/21)

 

Gründe

Auf den Hinweis wurde die Berufung zurückgenommen.

Der Kläger wird auf die Absicht des Senats hingewiesen, seine Berufung gegen das am 28.04.2022 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt, Az.: 19 O 347/21, durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

Die zulässige Berufung wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen sein, da der Senat nach derzeitigem Sachstand davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung des Senats für die Fortbildung des Rechts oder für die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

1. Gewährleistungsansprüche scheiden vorliegend aus, da der Kaufvertrag bezüglich des hier streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht zwischen den Parteien zustande gekommen ist.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 826 BGB wegen sittenwidriger, vorsätzlicher Schädigung.

Der Bundesgerichtshof hat bezüglich des Dieselmotors der Baureihe EA 189 entschieden, dass das Verhalten von VW sittenwidrig war, da auf der Grundlage einer für den Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA 189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht wurden, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19, zitiert nach juris, Rz. 16).

Es kann nicht festgestellt werden, dass vorliegend eine Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt, die mit derjenigen vergleichbar ist, die im Dieselmotor des Typs EA 189 Verwendung gefunden hat.

a) Thermofenster:

Der Umstand, dass die Abgasrückführung über eine temperaturabhängige Steuerung verfügt, reicht für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der in einer Gesamtschau durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19, zitiert nach juris, Rz. 15; Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19, zitiert nach juris, Rz. 14 mwN; Beschluss vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20, zitiert nach juris, Rz. 12 mwN; Beschluss vom 13.10.2021 - VII ZR 99/21, BeckRS 2021, 38651 mwN; Beschluss vom 13.10.2021 - VII ZR 179/21, zitiert nach juris, Rz. 11 nwN).

Zum sog. "Thermofenster" hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen ist, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 zugrunde gelegen hat. Dort war die Software bewusst und gewollt so programmiert, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden (Umschaltlogik), sie zielte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde ab. Damit nicht zu vergleichen ist der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems, das nicht danach unterscheidet, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie führt nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge