Entscheidungsstichwort (Thema)
Funktionelle Zuständigkeit für Ansprüche gegen Hersteller des Impfstoffes wegen Impfschäden
Leitsatz (amtlich)
1. Die funktionelle Zuständigkeit der Kammern für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen i.S.v. § 348 Abs. 1 Nr. 2e) ZPO, § 72a Abs. 1 Nr. 3 GVG setzt regelmäßig voraus, dass die Heilbehandlung selbst als in irgendeiner Weise fehlerhaft gerügt wird und Ansprüche im Verhältnis zwischen Behandelnden bzw. dessen Träger und dem Behandelten geltend gemacht werden.
2. Daher unterfallen Streitigkeiten über Schadensersatzansprüche eines Geimpften, die dieser ausschließlich aus der Zusammensetzung, Herstellung und Wirkung des verwendeten Impfstoffes herleitet und allein gegen den Hersteller des Impfstoffes richtet, nicht der funktionellen Zuständigkeit der Kammern für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlung i.S.v. § 348 Abs. 1 Nr. 2e), § 72a Abs. 1 Nr. 3 GVG.
Normenkette
GVG § 72a Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 348 Abs. 1 Nr. 2e)
Verfahrensgang
LG Hanau (Beschluss vom 17.11.2023; Aktenzeichen 7 O 401/23) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO funktionell zuständig.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen behaupteter Impfschäden, die er aufgrund einer Impfung mit einem Impfstoff erlitten haben will, den die Beklagte hergestellt habe und für den sie Inhaberin der bedingten Zulassung sei.
Der Kläger hat beim Landgericht gegen die Beklagte, eine Gesellschaft mit Sitz in Spanien, Klage erhoben. Er behauptet, er habe infolge der Impfung mit dem von der Beklagten hergestellten Impfstoff verschiedene pathologische Symptome erlitten, die materielle und immaterielle Schäden ausgelöst hätten. Er habe zudem nicht wirksam in die Impfung eingewilligt, da er nicht darüber aufgeklärt worden sei, dass der Impfstoff nur eine bedingte Zulassung erhalten habe und durch die MedBVSV alle Sicherheitsmechanismen zu Lasten des Geimpften außer Kraft gesetzt worden seien. Bis heute dulde die Beklagte, dass unzutreffend über die Impfung aufgeklärt sowie deren Wirksamkeit und Sicherheit zu Unrecht bestätigt werde. Er meint, die Beklagte hafte gemäß §§ 84 Abs. 1 AMG iVm § 87 AMG, § 32 Abs. 1 GenTG, § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB iVm § 95 AMG, § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 223, 234 StGB oder § 230 StGB.
Der Vorsitzende der 7. Zivilkammer des Landgerichts, die die Sache im allgemeinen Turnus der Zivilsachen erhalten hatte, legte unter dem 23.5.2023 die Sache der nach der Geschäftsverteilung für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen iSv §§ 72a Abs. 1 Nr. 3 GVG, 349 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 e) ZPO zuständigen 4. Zivilkammer vor mit der Bitte um Prüfung der Übernahme, da es sich bei der Impfung wohl um eine Heilbehandlung iSv § 72a Abs. 1 Nr. 3 GVG handele.
Unter dem 19.7.2023 sandte die Vorsitzende der 4. Zivilkammer die Akten an die 7. Zivilkammer mit dem Vermerk zurück, es handele sich nicht um eine Streitigkeit aus Heilbehandlungen, da dies solche seien, die im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit von Ärzten, Zahnärzten, Heilpraktikern, Psychologen, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten u.ä. ständen. Hierzu zählten nicht die Hersteller von Impfstoffen. Eine Impfung sei zudem keine Heilbehandlung, da diese zur Vermeidung künftiger Erkrankungen präventiv verabreicht würden.
Am 27.7.2023 ordnete der Vorsitzende der 7. Zivilkammer das schriftliche Vorverfahren an und wies die Parteien darauf hin, dass Bedenken gegen die Zuständigkeit der 7. Zivilkammer beständen. Die Kammer erwäge, die Sache an die für Streitigkeiten aus Heilbehandlungen zuständige Zivilkammer zu verweisen.
Unter dem 6.9.2023 verweigerte die Beklagte die Annahme der ihr in deutscher Sprache zugestellten Klage nebst der prozessleitenden Verfügung und Hinweis vom 27.7.2023 aufgrund der Sprache, in der die Dokumente abgefasst seien.
Mit Beschluss vom 17.11.2023 erklärte sich die 7. Zivilkammer für funktionell unzuständig und gab die Sache an die Kammer für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen ab. Wegen der Begründung wird auf den genannten Beschluss Bezug genommen.
Der Beschluss wurde den Parteien - der Beklagten in deutscher Sprache - zugestellt.
Mit Schreiben vom 28.11.2023 wies die Vorsitzende der Kammer für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen die Klägervertreter darauf hin, dass sie die Zuständigkeit der Kammer nicht für eröffnet erachte und den Verweisungsbeschluss nicht als bindend ansehe. Die 4. Zivilkammer beabsichtige daher, sich für funktionell unzuständig zu erklären und die Sache erneut an die 7. Zivilkammer zu verweisen. Hierzu wurde dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Ebenfalls unter dem 28.11.2023 erklärte die Beklagte ihre Weigerung der Entgegennahme des zugestellten Dokuments.
Im Dezember 2023 veranlasste die Vorsitzende der Kammer für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen die Übersetzung der Klageschrift, der prozessleitende...