Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur isolierten Rüge der internationalen, nicht aber der örtlichen Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Kommt eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nur nach Art. 16 Abs. 1 HS 2 EuGVVO in Betracht, kann sich der nicht in Deutschland ansässige Beklagte nicht isoliert hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit rügelos einlassen, wenn er gleichzeitig die internationale Zuständigkeit rügt.
2. In diesem Fall kann das vom Kläger angerufene, aber nach Art 16 Abs. 1 EuGVVO nicht zuständige deutsche Gericht den Rechtsstreit hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit nach § 281 ZPO an das deutsche Gericht verweisen, das nach dem Klägervortrag zuständig wäre. Diesem bleibt die abschließende Prüfung seiner internationalen Zuständigkeit vorbehalten.
Normenkette
EGV 44/2001 Art. 16 Abs. 1 Hs. 2; ZPO §§ 39, 281
Verfahrensgang
Tenor
Das LG Memmingen ist für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Auszahlung eines Sparguthabens, das sein verstorbener Vater bei deutschen Filialen der A-Bank, Zagreb, angelegt habe. Er behauptet, die Beklagte sei Rechtsnachfolgerin dieser Bank.
Er hat die Klage vor dem LG Frankfurt erhoben, das er zunächst gem. § 23 ZPO für zuständig hielt.
Die Beklagte hat neben der Aktiv- und Passivlegitimation der Parteien vorrangig die internationale Zuständigkeit gerügt. § 23 ZPO sei wegen der vorrangigen Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO hier nicht anwendbar. Auch nach Art. 15, 16 EuGVVO sei vorliegend keine Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet, weil es sich nicht um eine Verbrauchersache handele.
Der Kläger hat daraufhin Verweisung des Rechtsstreits an das LG Memmingen beantragt (Bl. 230 ff. d.A.). Dieses sei nach Art. 15 Abs. 1 lit. c, 16 Abs. 1 EuGVVO örtlich zuständig. Der Wohnsitz seines Vaters habe sich seit 1974 in Deutschland befunden. Die A-Bank habe seinerzeit durch Verteilung entsprechender Flyer, u.a. über Mitarbeiter der jugoslawischen Generalkonsulate, gezielt bei jugoslawischen Gastarbeitern für die Einrichtung von Sparkonten geworben. Deshalb sei der Tatbestand des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO vorliegend erfüllt.
Die Beklagte hält eine Verweisung nach § 281 ZPO nicht für zulässig, weil diese lediglich die örtliche und sachliche Zuständigkeit betreffe. Sie habe aber die örtliche Zuständigkeit nicht gerügt. Die Rüge der internationalen Zuständigkeit schaffe keine Grundlage für eine Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes deutsches Gericht.
Mit Beschluss vom 11.1.2013 hat das LG Frankfurt/M. den Rechtsstreit "an das sachlich und örtlich zuständige" LG Memmingen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dessen Zuständigkeit ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 lit. c, 16 Abs. 1 EuGVVO. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 366 ff. d.A. Bezug genommen.
Das LG Memmingen hat mit Verfügung vom 25.1.2013 darauf hingewiesen, dass es diesen Beschluss für willkürlich halte, weil die Beklagte hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit von der ihr zustehenden Möglichkeit der rügelosen Einlassung Gebrauch gemacht hat. Damit sei das LG Frankfurt/M. örtlich und sachlich zuständig (Bl. 312 ff. d.A.). Es hat nach Anhörung der Parteien den Rechtsstreit sodann mit Beschluss vom 14.2.2013 an das LG Frankfurt/M. zurückverwiesen und zur Begründung ausgeführt, Voraussetzung einer Verweisung sei, dass die Beklagte die örtliche Zuständigkeit rüge, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei (Bl. 368 ff. d.A.).
Das LG Frankfurt/M. hat den Rechtsstreit daraufhin dem Senat zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt (Bl. 381 d.A.).
II.1) Das OLG Frankfurt ist zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes berufen, da zuerst das LG Frankfurt/M. mit der Sache befasst war, § 36 Abs. 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das LG Frankfurt/M. als auch das LG Memmingen haben sich in unanfechtbaren Beschlüssen für örtlich unzuständig erklärt.
2) Das LG Memmingen ist infolge des Verweisungsbeschlusses des AG Frankfurt/M. vom 11.1.2013 örtlich und sachlich zuständig geworden, da dieser Beschluss für das aufnehmende Gericht insoweit gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend ist. Die Bindungswirkung eines (ersten) Verweisungsbeschlusses wirkt im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO fort (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 36 Rz. 28).
a) Bindungswirkung kommt Verweisungsbeschlüssen auch dann zu, wenn sie möglicherweise fehlerhaft sind, denn durch die Vorschrift des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO will das Gesetz erreichen, dass eine Unsicherheit über die Zuständigkeit rasch und endgültig beseitigt wird und Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Gerichten vermieden werden. Sie entfällt erst, wenn die Verweisung auf der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs der Parteien beruht oder jeder Grundlage entbehrt und sich daher als willkürlich erweist (BGH NJW-RR 2011, 1364; NJW 2006, 847; NJW 1993, 1273; NJW-RR 1994, 126;OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 1993, 250). Einfach...