Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, wann im Rahmen einer Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz für eine sog. "Kapazitätsklage" zu gewähren ist.

2. In der Rechtsschutzversicherung ist hinsichtlich der Erfolgsaussicht einer sog. Kapazitätsklage nicht auf die Chance des Versicherungsnehmers abzustellen, dass er tatsächlich im Rahmen des Losverfahrens einen Studienplatz erhält, sondern darauf, ob eine hinreichende Aussicht dafür besteht, dass die festgesetzte Zulassungszahl das Studienplatzpotential der Hochschule nicht erschöpft.

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Aktenzeichen 7 O 24/08)

 

Gründe

Auf die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers war der Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts aufzuheben, da die beabsichtigte Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Die Prüfung der Bedürftigkeit des Antragstellers war dem Landgericht gemäß § 572 III ZPO zu übertragen.

Dem Antragsteller steht gegenüber der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Deckungsschutz für weitere sieben verwaltungsgerichtliche Verfahren - sog. Kapazitätsklageverfahren - zwecks Zulassung zum Studium der Humanmedizin im Wintersemester 2007/2008 gemäß §§ 1, 2 g) bb), 4 (1) c) ARB 2000 (Stand Oktober 2004) zu. Gemäß § 1 ARB sorgt der Versicherer - nach Eintritt des Versicherungsfalls (§ 4 ARB) - dafür, dass der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann, und trägt die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten. Nach § 2 g bb) ARB umfasst der Versicherungsrechtsschutz außerhalb der verkehrsrechtlichen Angelegenheiten auch die Wahrnehmung rechtlicher Interessen vor deutschen Verwaltungsgerichten im Bereich des Hochschulrechts.

Die Interessenwahrnehmung im Rahmen der einstweiligen Anordnungsverfahren gegen die Universitäten A, B, C, D, E, F und G bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Wie das OLG Celle (VersR 2007, 1218) in seinem Urteil vom 18.4.2007 ausgeführt hat, kann aufgrund der Besonderheiten einer Kapazitätsklage nicht darauf abgestellt werden, wie hoch letztlich die Chance des Antragstellers ist, dass er tatsächlich im Rahmen des Losverfahrens einen Studienplatz erhält. Hinsichtlich der Erfolgsaussicht ist vielmehr darauf abzustellen, ob eine hinreichende Aussicht dafür besteht, dass die festgesetzte Zulassungszahl das Studienplatzpotential der Hochschule nicht erschöpft.

Hinsichtlich der Universitäten A, B, G und D hat der Antragsteller im einzelnen dargelegt, welche Zulassungszahlen für Humanmedizin an den Universitäten für das Wintersemester 2007/2008 im Vergleich zum Vorjahr bestanden und welche zusätzlichen Studienplätze durch gerichtlichen Beschluss erzielt werden konnten. Hinsichtlich der übrigen Universitäten hat er darauf hingewiesen, dass bei gleichbleibender bzw. geringfügig herabgesetzter Zulassungszahl in Hinblick auf die geringe Anzahl von Klägern gute Zulassungschancen bestünden. Ob letzteres zutrifft, mag dahingestellt bleiben. Die Antragsgegnerin hat - nachdem der Antragsteller bereits mit Schreiben vom 30.8.2007 Deckungsschutz für Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen gegen 10 Universitäten beantragt, sein Anliegen nochmals mit Schreiben vom 12.9.2007 klargestellt und mit Schreiben vom 26.9.2007 die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen in zehn Verfahren übersandt hatte - erstmals mit Schreiben vom 16.11.2007 inhaltlich hierzu Stellung genommen und eine Deckungszusage lediglich für eine Klage gegen die Universität H erteilt. Im übrigen hat sie ihre Einstandspflicht "in Hinblick auf das Problem des Versicherungsfalles und der Mutwilligkeit" abgelehnt, was sie mit Schreiben vom 5.12.2007 dahingehend abänderte, dass nachträglich für insgesamt drei Verfahren Deckungsschutz zugesagt wurde. Durch dieses Verhalten hat die Antragsgegnerin gegen ihre Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Erfolgsaussichten gemäß § 18 (1) ARB verstoßen. Nach vollständiger Unterrichtung des Versicherers über den Streitstand - die vorliegend spätestens mit Übersendung der Anträge auf Erlass der einstweiligen Anordnungen gegeben gewesen sein dürfte, zumal die Antragsgegnerin auch keinerlei weiteren Informationen begehrte - muss der Versicherer binnen zwei bis drei Wochen eine Stellungnahme zur Erfolgsaussicht abgeben; unterbleibt eine solche Stellungnahme in der dem Versicherer verbleibenden Zeit, so kann er sich nicht mehr auf fehlende Erfolgsaussicht berufen (vgl. OLG Köln RuS 1991, 420). Im übrigen hätte die Antragsgegnerin den Antragsteller soweit sie schließlich die Erfolgsaussicht mangels Vorliegens eines Versicherungsfalles bzw. wegen Mutwilligkeit verneinte darauf hinweisen müssen, dass er diesem Einwand durch Einholung eines Stichentscheids (§ 18 ARB) begegnen könne (vgl. hierzu OLG Köln RuS 2006, 374). Im übrigen kann entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht davon ausgegangen werden, dass der begehrte Deckungsschutz für insgesamt zehn Verfahren mutwillig ist. Angesichts der Bedeutung des Zugangs zu einem Studienplatz für den Betroffenen und unter Berücksichtigung der Besonde...

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