Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltsbeiordnung im Sorgerechtsverfahren
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Fürth (Beschluss vom 31.07.2020; Aktenzeichen 4 F 216/20 SO) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass dem Kindesvater Rechtsanwältin X, Straße1, Stadt1, beigeordnet wird.
Gerichtsgebühren fallen im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht an. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der die Beschwerde führende Antragsteller und Kindesvater begehrt die Beiordnung der von ihm beauftragten Rechtsanwältin im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für seinen Antrag auf Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge im vereinfachten Sorgerechtsverfahren (§ 155a FamFG, § 1626a Abs. 2 BGB).
Das Amtsgericht hat die Beiordnung unter Hinweis auf sich aus höchstrichterlicher Rechtsprechung allgemein für die Anwendung des § 78 Abs. 2 FamFG ergebenden Maßstäben (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 232/09 -, Rn. 12 ff.) abgelehnt. In dem angefochtenen Beschluss führt das Amtsgericht aus, weder die Sach- noch die Rechtslage sei vorliegend schwierig, nachdem die Kindesmutter im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren keine Einwände gegen die Übertragung der elterlichen Sorge vorgebracht hatte und solche auch nicht ersichtlich seien. Die Sach- und Rechtslage sei auch unter Berücksichtigung des zwischenzeitlichen erfolgten Vortrags der Kindesmutter zu gegen eine gemeinsame elterliche Sorge sprechenden Gründen nicht schwierig geworden. Weder habe die Kindesmutter etwas dargelegt, was die gesetzliche Vermutung des § 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB in Frage gestellt habe, noch sei der Kindesvater auf den Vortrag eingegangen.
Die statthafte (§ 76 Abs. 2 FamFG, § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist begründet.
Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78 Abs. 2 FamFG liegen unter der gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO angezeigten Berücksichtigung von nach Erlass der angefochtenen Entscheidung eingetretenen Tatsachen vor.
Nach einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung ist jedenfalls derzeit in vereinfachten Sorgerechtsverfahren im Hinblick auf die noch ungeklärten Voraussetzungen der Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach dem neuen "gesetzlichen Leitbild" die Notwendigkeit einer anwaltlichen Beiordnung zu bejahen (OLG Hamm, Beschluss vom 09. März 2016 - II-2 WF 38/16 -, Rn. 21, juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 19. Januar 2015 - 1 WF 43/15 -, Rn. 28; für die Kindesmutter als Antragsgegnerin OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Januar 2014 - 15 WF 254/13 -, Rn. 11, juris; Gottschalk in
Dürbeck/Gottschalk PKH/VKH, 1. Teil. Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Rn. 688, zitiert nach beck-online; für eine grundsätzliche Erforderlichkeit der Beiordnung Viefhues in Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018, § 78 Rn. 14). Nach anderer Auffassung liegen die Voraussetzungen für eine Anwaltsbeiordnung vor, wenn Gründe, die der gemeinsamen Sorge entgegenstehen, zu klären sind (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08. Oktober 2014 - 18 WF 147/14 -, Rn. 9; Weber in Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 78 Rn. 12; Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG 6. Aufl. 2018 Rn. 11). Im Fall eines widerspruchslosen Antrags nach § 1626a soll eine Beiordnung für den Antragsteller regelmäßig nicht in Betracht kommen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08. Oktober 2014 - 18 WF 147/14 -, Rn. 9; Engelhardt in Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 155a Rn. 20, zitiert nach beck-online; Hamdan/Hamdan, MDR 2015, S. 249, S. 250f).
Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Anwaltsbeiordnung vorliegend ungeachtet der Unterschiede zwischen den verschiedenen Auffassungen vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob im vereinfachten Sorgerechtsverfahren eine Beiordnung regelmäßig angezeigt ist, weil vorliegend im Laufe des Verfahrens von der Kindesmutter Gründe angeführt wurden, die aus ihrer Sicht der gemeinsamen Sorge entgegenstehen. Damit ist unter erforderlicher Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 232/09 -, Rn. 12 ff.) von der Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt wegen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage auszugehen. Die Kindesmutter hat unter Bezug auf vorgetragenen "häufigen" Konsum von Marihuana durch den Kindesvater dessen Erziehungsfähigkeit in Frage gestellt. Darüber hinaus hat sie bestehende "massiv unterschiedliche Auffassungen" zwischen den Kindeseltern in wesentlichen Bereichen der Erziehungsfragen - allerdings ohne diese zu konkretisieren - angeführt. Damit waren im Verfahren Gründe gegen die gemeinsame Sorge angeführt, die rechtlich zumindest dahingehend zu prüfen waren, ob die gesetzliche Vermutung nach § 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB greift, was auch unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - XII ZB 419/15 -, Rn. 32) als schwierige Rechtlage im Sinne des ...