Leitsatz (amtlich)
1. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfällt, wenn die Verweisung als objektiv willkürlich erscheint oder unter Versagung des rechtlichen Gehörs ergangen ist.
2. Die Wahl zwischen mehreren möglichen Gerichtsständen ist von der klagenden Partei auch dann wirksam getroffen, wenn sie sich hierbei nicht aller bestehender Gerichtsstände bewusst war und die Klage bei einem jedenfalls zuständigen Gericht eingereicht hat.
3. Ein Verweisungsbeschluss muss jedenfalls außerhalb einer mündlichen Verhandlung durch das Gericht in der Besetzung des gesamten zuständigen Spruchkörpers ergehen.
Tenor
Das LG Hanau ist das zuständige Gericht.
Gründe
Die Beklagte bestellte bei der Klägerin, welche Polstermöbel herstellt, Anfang des Jahres 2003 eine Postermöbelgarnitur zum Preis von insgesamt 5.138,80 Euro. In den in der Auftragsbestätigung enthaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist als Gerichtsstand das LG Bielefeld bestimmt. Die Beklagte beanstandete nach Auslieferung der Garnitur an den Endkunden durch sie Transportschäden, deren Behebung die Klägerin ihr zu einem Preis von 668,- Euro netto anbot und sodann ausführte. Nach weiteren Mängelrügen des Endkunden auch an anderen von der Beklagten gelieferten Möbelteilen bot die Klägerin eine weitere Mängelbeseitigung an der Garnitur an. Die Beklagte behielt letztlich ggü. der Klägerin den Kaufpreis abzgl. Skonto und Zurückbehaltungsrecht, insgesamt in Höhe eines Betrages von 4.676,31 Euro, von einer anderen Zahlung ein. Die Parteien streiten über den Umfang der Mängel und die Verantwortlichkeit für diese. Die Klägerin verlangt mit ihrer vor dem LG Hanau erhobenen Klage von der Beklagten Zahlung des einbehaltenen Betrages sowie der Reparaturkosten von 774,88 Euro jeweils nebst Zinsen. In der Klageschrift ist darauf hingewiesen, dass die Parteien als Gerichtsstand das LG Bielefeld vereinbart haben. Mit Schriftsatz vom 13.5.2004 fragte die Klägerin ggü. dem LG Hanau nach dem Sachstand ihrer vom 7.4.2004 erhobenen Klage. Am 26.5.2004 wurde ihr die Ladung zum Termin am 5.7.2004 zugestellt.
Auf ein Telefonat mit dem Klägervertreter, bei welchem dieser einen entsprechenden Verweisungsantrag stellte, verwies das LG Hanau durch den Vorsitzenden den Rechtsstreit durch Beschluss vom 16.6.2004 ohne Begründung an das LG Bielefeld. Nach dem Aktenvermerk des Vorsitzenden über das Telefongespräch sei die Klage irrtümlich in Hanau erhoben worden. Den Verweisungsantrag wiederholte die Klägerin unter Hinweis auf die Gerichtsstandsvereinbarung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ggü. dem LG Hanau durch Telefax vom 16.6.2004, welches das LG Hanau der Beklagten nicht zuleitete.
Das LG Bielefeld hat die Übernahme des Rechtsstreits durch Beschluss vom 5.7.2004 abgelehnt, sich für unzuständig erklärt und die Sache zur Bestimmung der Zuständigkeit dem OLG Frankfurt a.M. vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verweisungsbeschluss des LG Hanau sei nicht bindend. Die Klägerin habe ihr Wahlrecht mit der Einreichung der Klage beim LG Hanau endgültig ausgeübt. Dies habe sie spätestens mit der Sachstandsanfrage an das LG Hanau bestätigt. Ferner fehle dem Verweisungsbeschluss die Bindungswirkung schon wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten.
Auf die nach § 36 Abs. 2 ZPO zulässige Vorlage hin war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO das LG Hanau als das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.
Das LG Hanau ist für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig. Denn der Sitz der Beklagten befindet sich in Hanau (§ 17 Abs. 1 ZPO). Möglicherweise demzufolge hat sich das LG Hanau in seinem Beschluss vom 16.6.2004 entgegen § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO auch nicht für örtlich unzuständig erklärt, sondern den Rechtsstreit lediglich verwiesen.
Das LG Bielefeld ist auch nicht durch den Verweisungsbeschluss des LG Hanau bindend zuständig geworden (§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO). Die Vorschrift des § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bezweckt, dass die Unsicherheit über die Zuständigkeit durch einen nach rechtlichem Gehör ergangenen Verweisungsbeschluss beseitigt und die Zuständigkeit grundsätzlich endgültig und abschließend geregelt wird. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wirkt im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO fort (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 36 ZPO, Rz. 28). Sie entfällt jedoch dann, wenn die Verweisung als objektiv willkürlich erscheint oder unter Versagung des rechtlichen Gehörs ergangen ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 281 Rz. 17, 17a, m.w.N.). Der Verweisungsbeschluss des LG Hanau entfaltet keine Bindungswirkung, da er keinerlei rechtliche Grundlage hat sowie willkürlich und unter Versagung des rechtlichen Gehörs der Beklagten ergangen ist.
Das LG Hanau durfte dem nachträglich gestellten Verweisungsantrag der Klägerin nicht nachkommen, da es wie dargelegt zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig ist. Ein mögliches Wahlrecht zwischen mehreren zuständigen Gerichten (§ 35 ZPO), nämlich dem Gerichtsstand de...