Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtsstandsbestimmung: Keine Bindungswirkung für Verweisungsbeschluss im Widerspruch zu Wahlrecht nach § 35 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Ausnahme von der Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen nach § 281 Abs. 1 ZPO ist gegeben, wenn sich das als Gericht des allgemeinen Gerichtsstands unzweifelhaft zuständige Gericht darüber hinwegsetzt, dass die Verweisung die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt, oder eine nach § 35 ZPO bindende Gerichtsstandswahl nicht berücksichtigt hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 35-36, 281

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Das Landgericht Darmstadt wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

I. Das Landgericht Darmstadt und das Landgericht Düsseldorf streiten um ihre Zuständigkeit.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte, eine GmbH & Co KG mit Sitz in Büttelborn, Ansprüche im Zusammenhang mit der Vermietung von Baumaschinen in einem Mahnverfahren geltend gemacht. In diesem Verfahren hat die Klägerin das Landgericht Darmstadt als Prozessgericht benannt, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden soll. Die Beklagte hat gegen den am 16.5.2019 erlassenen und am 22.5.2019 zugestellten Mahnbescheid Widerspruch erhoben. Unter dem 9.7.2019 ist die Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Darmstadt erfolgt. Auf Bl. 1-8 d.A. wird verwiesen.

In der Anspruchsbegründung vom 26.7.2019, der Beklagten zugestellt am 3.8.2019, hat die Klägerin vorgetragen, dass das Landgericht Düsseldorf zuständig sei, da die Klägerin "ihren Gerichtsstand nach § 36 ZPO prorogiert" habe, und eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Düsseldorf - Kammer für Handelssachen - beantragt (Bl. 12 ff. d.A.). Das Landgericht Darmstadt hat der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Verweisungsantrag gegeben (vgl. Bl. 62 Anlagenband "RA'e A").

Das Landgericht Darmstadt hat mit Verfügung vom 23.9.2019 Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung auf den 22.1.2020 bestimmt. Mit Schriftsatz vom 15.10.2019 hat die Klägerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Anspruchsbegründung nochmals Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Düsseldorf - Kammer für Handelssachen - beantragt (Bl. 37 d.A.).

Mit Beschluss vom 21.10.2019 hat das Landgericht Darmstadt den Verhandlungstermin aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf - Kammer für Handelssachen - verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Sache an das örtlich zuständige Landgericht Düsseldorf abzugeben war, da die Parteien nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung getroffen hätten (Bl. 39 f. d.A.).

Mit Beschluss vom 7.11.2019 hat sich das Landgericht Düsseldorf für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beschluss des Landgerichts Darmstadt rechtswidrig und willkürlich sei. Der Verweisungsbeschluss stehe in Widerspruch zu der verbindlichen und unwiderruflichen Ausübung des Wahlrechts gemäß § 35 ZPO. Es bleibe offen, ob und gegebenenfalls aus welchen Erwägungen das Landgericht Darmstadt die dem Wortlaut nach nicht bekannte Gerichtsstandsvereinbarung als ausschließliche Gerichtsstandbestimmung angesehen hat. Aus den im Internet ersichtlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung nicht ersichtlich (Bl. 44 ff. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 18.11.2019 hat die Klägerin ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgelegt. Auf Bl. 53 ff. d.A. wird verwiesen.

II. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (sog. negativer Kompetenzkonflikt) liegen vor, weil sich sowohl das Landgericht Darmstadt als auch das Landgericht Düsseldorf rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Der Senat ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 ZPO berufen, da das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist, und das Landgericht Darmstadt als das zuerst mit der Sache befasste Gericht zum Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main gehört, § 36 Abs. 2 ZPO.

Das Landgericht Darmstadt ist örtlich zuständig.

Es kann dahinstehen, ob die Parteien mit der in § 12 Ziffer 1 der Allgemeinen Mietbedingungen der Klägerin betreffend die Vermietung von Baumaschinen und Baugeräten enthaltenen Regelung eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von § 38 ZPO zugunsten des Landgerichts Düsseldorf getroffen haben. Selbst bei der Annahme einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung hätte die Klägerin dadurch, dass sie im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids das Landgericht Darmstadt als Prozessgericht, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden soll, benannt hat, das ihr gemäß § 35 ZPO zustehende Wahlrecht für sie bindend und unwiderruflich zugunsten des Landgerichts Darmstadt ausgeübt, wo der Rechtsstreit auch rechtshängig geworden ist (vgl. OLG Hamm...

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