Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach Vakanz und Übernahmeangebot
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Vorliegens eines dringenden Falles gemäß § 104 Abs. 2 S. 2 AktG im Falle einer aktienrechtlichen Übernahmesituation
Normenkette
AktG § 104 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Beschluss vom 30.12.2021; Aktenzeichen HRB 13184) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die beiden Beschlüsse des Amtsgerichts vom 30.12.2021, mit denen dieses die Anträge der Beteiligten zu 1 und 10 zur Bestellung dreier Aufsichtsräte für die Bank zurückgewiesen hat, werden aufgehoben.
Zu Aufsichtsräten der Bank werden bestellt: A, Straße1, Stadt1, B, Straße2, Stadt2, C, Straße3, Stadt3. Die jeweilige Bestellung ist befristet bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Bank.
Notwendige Aufwendungen der Beteiligten in den Verfahren der Beschwerde werden nicht erstattet.
Gründe
I. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Bank vom 09.12.2021 sind drei Mitglieder ihres drittelparitätisch mitbestimmten Aufsichtsrats - der nach § 9 Abs. 1 der Satzung der Bank aus 12 Personen besteht (8 Anteilseignervertreter und 4 Arbeitnehmervertreter) - vor dem Hintergrund eines von der Beteiligten zu 10 zur Tagesordnung gestellten Ergänzungsverlangens abgewählt worden. Der ebenfalls aufgrund des Ergänzungsverlangens der Beteiligten zu 10 zur Tagesordnung gestellten Wahl dreier von ihr vorgeschlagener neuer Aufsichtsräte hat die außerordentliche Hauptversammlung nicht zugestimmt. Der Aufsichtsrat besteht somit seither nur aus neun Personen, den hiesigen Beteiligten zu 1 - 9, wobei es sich um fünf Anteilseignervertreter und vier Arbeitnehmervertreter handelt.
Der Beteiligte zu 1 hat in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender mit Schreiben an das Amtsgericht vom 17.12.2021, das der Beteiligten zu 10 zur Stellungnahme vom Amtsgericht übersandt worden ist, gemäß § 104 Abs. 2 S.2 AktG beantragt, gerichtlich jeweils einen Nachfolger der durch den Abwahlbeschluss aus dem Aufsichtsrat ausgeschiedenen drei Aufsichtsräte zu bestellen, befristet bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Bank. Dabei hat er als Nachfolger die drei nunmehr vom Senat zu Aufsichtsräten bestellten Personen vorgeschlagen.
Die Beteiligte zu 10 hat mit Antrag vom 28.12.2021 ebenfalls die gerichtliche Bestellung dreier Aufsichtsräte beantragt und dabei drei andere Personen benannt.
Der Aufsichtsrat und der Vorstand haben erklärt, den Antrag des Beteiligten zu 1 zu unterstützen.
Alle Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass ein dringender Fall nach § 104 Abs. 2 S. 2 AktG vorliege, in dem das Gericht den Aufsichtsrat auch vor Ablauf der 3-Monats-Frist des § 104 Abs. 2 S. 1 AktG zu ergänzen habe.
Das Amtsgericht ist diesen Auffassungen jedoch nicht gefolgt und hat mit zwei inhaltsgleichen Beschlüssen vom 30.12.2021 die beiden vorgenannten Anträge der Beteiligten zu 1 und 10 zurückgewiesen, da ein dringender Fall nicht vorliege.
Hiergegen wenden sich die Beschwerden der Aufsichtsratsmitglieder und ihres Vorsitzenden - der Beteiligten zu 1 bis 10 - jeweils vom 04.01.2022 und die Beschwerde der Beteiligten zu 10 vom 05.01.2022, denen das Amtsgericht aus den Gründen seiner angefochtenen Entscheidungen nicht abgeholfen hat.
Im Übrigen wird auf den dem Senat vom Amtsgericht vorgelegten Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die jeweiligen Beschwerden sind formgerecht und fristgemäß eingelegt worden und nach § 104 Abs. 2 S. 4 AktG zulässig. Dabei ist davon auszugehen, dass die "namens des Aufsichtsrats" eingelegte Beschwerde nicht für den Aufsichtsrat als Organ eingelegt worden ist, sondern für die jeweiligen Personen des Aufsichtsrats, da auch nur das einzelne Aufsichtsratsmitglied nach § 104 Abs. 1 S. 1 AktG im vorliegenden Verfahren antragsberechtigt ist. Im Hinblick auf diese Antragsberechtigung bestehen auch keine Bedenken gegen eine Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2 - 9 im Hinblick auf § 59 Abs. 2 FamFG, da auch derjenige beschwerdeberechtigt ist, der zwar antragsbefugt ist, den Antrag jedoch nicht gestellt hat (vgl. etwa Meyer-Holz in Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 59 Rn. 41 m.w.N. auch zu entsprechenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; Spindler in beck-Online.GROSSKOMMENTAR, § 104 AktG, Stand 01.09.2021, Rn. 32, mit weiteren Nachweisen auch zur Gegenansicht).
Die Beteiligten gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass der Aufsichtsrat der Bank schon vor Ablauf der 3-Monats-Frist des § 104 Abs. 2 S. 1 AktG gerichtlich auf die durch seine Satzung festgesetzte Zahl zu ergänzen ist, da ein dringender Fall im Sinne von § 104 Abs. 2 S. 2 AktG vorliegt.
Seit dem 17.12.2021 läuft unstreitig das Angebot eines Bieters zum Erwerb von Wertpapieren, die von der Bank als Zielgesellschaft dieses Angebots ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 1 WpÜG). Schon alleine aufgrund dieser Sachlage ist es zwingend erforderlich, dass der Aufsichtsrat der Bank nicht nur beschlussfähig, ...