Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenspflegschaft für ein minderjähriges Kind: Anfechtbarkeit der Bestellung und Auswahl des Verfahrenspflegers. Aufgaben und Handlungsbefugnisse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bestellung und Auswahl eines Verfahrenspflegers ist nicht gesondert anfechtbar.

2. Die Auffassung, dass Gespräche mit den Eltern nicht zum Aufgabenkreis des Verfahrenspflegers gehören und allenfalls äußerst restriktiv zuzulassen seien, ist ebenso abzulehnen wie die Auffassung, dass im Rahmen der Tätigkeit eines Verfahrenspflegers Gespräche mit dem Jugendamt oder sonstigen Einrichtungen oder Bezugspersonen grundsätzlich ausgeschlossen sind.

 

Normenkette

FGG § 50

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 453 F 2132/08)

 

Gründe

Das jetzt 12 Jahre alte Kind A ist aus der 1994 geschlossenen Ehe der Beteiligten zu 1) und zu 2) hervorgegangen. Seit der Trennung der Kindeseltern im Januar 2003 kam es zu mehreren familiengerichtlichen Verfahren der Kindeseltern, die u.a. die elterliche Sorge und die Regelung und Durchsetzung des Umgangsrechts des Kindesvaters betrafen.

Mit Beschluss vom 23.9.2004 wurde der Kindesmutter im Verfahren 6 F 71/03 vom AG Melsungen die alleinige elterliche Sorge für das Kind übertragen und eine Regelung des Umgangsrechts des Kindesvaters getroffen. Gegen die Sorgeregelung legte der Kindesvater, gegen die Umgangsregelung die Kindesmutter Beschwerde ein. Am 8.6.2005 erzielten die Parteien vor dem 2. Familiensenat des OLG eine Umgangsvereinbarung. Mit Beschluss vom 16.6.2005 wurde die Beschwerde des Kindesvaters gegen die Sorgeregelung vom 2. Familiensenat zurückgewiesen und die Vereinbarung zum Umgangsrecht gebilligt. Die Umgangsvereinbarung sah u.a. vor, dass der Kindesvater ab dem Kalenderjahr 2006 berechtigt sein sollte, mit dem Kind die Hälfte der Sommerferien zu verbringen.

Wegen der Umsetzung der Ferienregelung für Sommer 2006 rief der Kindesvater das FamG an. Eine entsprechende einstweilige Anordnung des AG - FamG - Frankfurt/M. vom 20.7.2006, wonach der Kindesvater berechtigt sein sollte, mit dem Kind vom 8.6.2006 bis 26.8.2006 zusammen zu sein, konnte trotz erheblicher Bemühungen des Jugendamtes O1nicht umgesetzt werden, weil die Kindesmutter die Herausgabe des Kindes verweigerte.

Es wurde - auf Anregung des Jugendamtes - für das Kind eine Verfahrenspflegschaft eingerichtet und Rechtsanwältin RA1, die über eine Ausbildung zur Diplom-Sozialpädagogin verfügt, zur Verfahrenspflegerin bestellt.

Mit Schreiben vom 17.8.2007 wandte sich das Jugendamt O1an das FamG mit dem Antrag, der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge, das Recht zur Regelung des Umgangs, das Recht zur Antragstellung für Hilfe zur Erziehung sowie das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten nach § 1666 BGB zu entziehen. Dies begründete das Jugendamt damit, dass A ggü. der Verfahrenspflegerin geäußert habe, nicht mehr bei der Kindesmutter bleiben zu wollen. Das Kind sprach am 16.8.2007 bei dem Jugendamt vor und schilderte dort, sie stehe bei der Kindesmutter unter einem enormen schulischen Druck und schon wegen einer Note drei angeschrien. Die Mutter habe in der Vergangenheit den Kontakt mit dem Vater eingeschränkt. Sie wolle mehr Kontakt zum Vater haben und habe sich mit diesem auch schon heimlich getroffen, weshalb sie von der Kindesmutter geschlagen worden sei. Sie äußerte sich ggü. den Jugendamtsmitarbeitern dahingehend, dass sie bislang gegenüber Gericht und Jugendamt sich auf Geheiß der Mutter immer so habe äußern müssen, wie diese es ihr vorgeschrieben habe. Als der Ferienumgang im Jahr 2006 umgesetzt werden sollte, habe dies die Mutter unterbunden und sie eingesperrt.

Auf die Mitarbeiter des Jugendamtes machte das Kind einen bedrückten und verzweifelten Eindruck, wobei die Angst vor der Mutter von dem Kind immer wieder sowohl verbal als auch in der Körperhaltung deutlich gemacht worden sei.

Auf eigenen Wunsch wurde das Kind vom Jugendamt in Obhut genommen.

Mit Beschluss vom 21.8.2007 hat das AG - FamG - Frankfurt/M. im Wege einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und weitere Teilbereiche der elterlichen Sorge auf das Jugendamt der Stadt O1übertragen.

Die Kindesmutter hat im vorliegenden Verfahren die Aufhebung der einstweiligen Anordnung und die Herausgabe des Kindes beantragt. Der Kindesvater hat in einem Parallelverfahren ebenfalls die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich beantragt. Das Kind ist auf eigenen Wunsch weiterhin in einer Einrichtung untergebracht. Eine Hauptsacheentscheidung über den Sorgerechtsentzug ist noch nicht ergangen. Die Kindesmutter hat zwischenzeitlich ggü. dem Jugendamt angegeben hat, der Vater sei ggü. dem Kind sexuell übergriffig geworden und betreibe Betäubungsmittelmissbrauch. Sie bestreitet die von der Tochter geschilderten Vorfälle. Das AG hat zu erkennen gegeben, dass es die Einholung eines Gutachtens für erforderlich erachtet. Ein vom AG anberaumter Verhandlungstermin konnte wegen eines Ablehnungsgesuchs der Kindesmutt...

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