Leitsatz (amtlich)
Kein Teilentzug der elterlichen Sorge für Entscheidung über Schulbesuch
Normenkette
BGB §§ 1628, 1671
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Beschluss vom 25.01.2019; Aktenzeichen 621 F 1177/18 EASO) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Entscheidung über die Auswahl der von dem Kind A, geb. am XX.XX.2010, besuchten Grundschule wird auf den Kindesvater übertragen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird für das Beschwerdeverfahren ebenso abgesehen, wie von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.
Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug auf 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kindesmutter wendet sich mit ihrem Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für ihre Tochter A mit dem Teilbereich des Rechts zur Regelung der schulischen Angelegenheiten auf den Kindesvater.
Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts wird zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Das Familiengericht hat dem Antrag des Kindesvaters auf Übertragung der alleinigen Vertretung As in schulischen Angelegenheiten nach Bestellung eines Verfahrensbeistandes und persönlicher Anhörung der Beteiligten stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag finde seine Rechtfertigung in § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, dem in der vorliegenden Konstellation aufgrund der langfristigen Auswirkungen der Entscheidung über die Schulwahl gegenüber § 1628 BGB der Vorrang einzuräumen sei. In der Sache sei das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten im Hinblick auf den sich daraus ergebenden vorzugswürdigen Besuch der vom Vater für A ausgewählten Grundschule Ortsteil1 auf diesen zu übertragen. Die Eltern hätten durch Vereinbarung vom 15.08.2018 den väterlichen Haushalt in Ortsteil1 als vorläufigen Lebensmittelpunkt des Mädchens bestimmt, so dass ein weiterer Besuch der zuvor besuchten B-Grundschule in Stadt1 bereits aufgrund der räumlichen Entfernung nicht mehr dem Kindeswohl entspreche.
Mit ihrer am 11. Februar 2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde gleichen Datums gegen den ihr am 30.01.2019 zugestellten Beschluss begehrt die Kindesmutter die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, es entspreche dem Kindeswohl, wenn der Schulwechsel nach Ortsteil1 nicht stattfinde. Bei der B-Schule in Stadt1 sei derzeit ein Antrag auf sonderpädagogischen Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Lernhilfe für A anhängig. Der Kindesvater tritt dem Rechtsmittel entgegen, hat sich auf Hinweis des Senats aber - ebenso wie der Verfahrensbeistand - angesichts des bereits im Februar begonnenen Schulbesuchs in Ortsteil1 ausdrücklich mit einer Regelung nach § 1628 BGB einverstanden erklärt. Das Jugendamt hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 11. März 2019 die angefochtene Entscheidung mit der Maßgabe verteidigt, dass ein künftiger Besuch der Ortsteil1er Schule befürwortet werde.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf den Akteninhalt, insbesondere auch den Schriftwechsel der Beteiligten in beiden Instanzen, Bezug genommen.
II. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Familiengerichts ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 58 ff., 57 S. 2 Nr. 1, 151 Nr. 1 FamFG), und hat in der Sache auch teilweise Erfolg.
Allerdings begegnet die angefochtene Entscheidung keinen Bedenken, soweit darin mit sorgfältig abgewogener Begründung ein Schulbesuch A in Ortsteil1 und daher auch die Übertragung der die Schulwahl betreffenden Entscheidungsbefugnis auf den Kindesvater befürwortet wird. Denn angesichts der einvernehmlich erfolgten Veränderung des Lebensmittelpunkts As von Stadt1 nach Ortsteil1 bereits im August 2018 steht - ungeachtet möglicherweise ohnehin entgegenstehender schulrechtlicher Vorgaben - schon aufgrund der Entfernung zwischen den beiden in unterschiedlichen Landkreisen liegenden Orten und der daraus resultierenden Beförderungsschwierigkeiten das Kindeswohlinteresse einem weiteren Besuch der Stadt1er Grundschule entgegen. Bereits in einem Bericht der Stadt1er Schule vom 28. Januar 2019 ist die Rede davon, dass A oft müde und erschöpft wirke. Es liegt nahe, mit der Stellungnahme des Jugendamts vom 11. März 2019 die Ursache der Erschöpfung in dem deutlich längeren Schulweg von Ortsteil1 nach Stadt1 und der dadurch bedingten kürzeren Nachtruhe des Kindes zu sehen. Da derzeit auch kein unbegleiteter Kontakt zwischen Mutter und Tochter stattfindet, vermag auch die Nähe zum Wohnort der Mutter einen weiteren Schulbesuch in Stadt1 nicht zu rechtfertigen. Angesichts des seit dem Wechsel As nach Ortsteil1 im Februar 2019 eingetretenen Zeitablaufs würde ein weiterer Schulwechsel zurück nach Stadt1 dem Mädchen zudem eine erneute Anpassungs- und Eingewöhnungsleistung abfordern, die dem Kindeswohl vor allem angesichts ...