Entscheidungsstichwort (Thema)
Testierfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Zum Anscheinsbeweis bei Feststellung der Testierunfähigkeit.
Normenkette
BGB § 2229
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.08.1994; Aktenzeichen 2/9 T 1001/92) |
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 52 VI Sch 62/92) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Prüfung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 400,000,– DM.
Gründe
Der am 15.1.1912 geborene und am 6.2.1992 im Alter von 80 Jahren verstorbene Erblasser war ledig und kinderlos. Sein Vater war Musiklehrer gewesen. Er selbst hatte Musik studiert und den Beruf eines Orchestermusikers ausgeübt. Aus der Ehe seiner vorverstorbenen Eltern sind neben ihm zwei Schwestern hervorgegangen, nämlich die im Jahre 1910 geborene Beteiligte zu 4) und die im Jahre 1913 geborene Beteiligte zu 5). Aus der Ehe der Beteiligten zu 4) mit … Stammen die beiden Töchter … und … Die beiden Töchter sind verheiratet. Eheliche Kinder der Tochter … sind die Beteiligten zu 1) bis 3) Aus der Ehe der Tochter … sind die beiden Söhne … und … hervorgegangen. Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst „Mozarteum” in Salzburg studiert, und zwar in der Fachrichtung Violine bzw. Klavier. Die Beteiligte zu 4) hatte das zwar mit Schriftsatz vom 6.10.1994 bestritten, ihr Bestreiten nach Vorlage von entsprechenden Unterlagen durch die Beteiligten zu 1) bis 3) mit Schriftsatz vom 13.11.1994 aber offenbar nicht mehr aufrechterhalten.
Der Erblasser wohnte in seinem Elternhaus, dem Dreifamilienhaus … Seine Mutter war zusammen mit der Beteiligten zu 5) im Jahre 1977 von dort weggezogen, nachdem es zu erheblichen Spannungen mit dem Erblasser gekommen war. Die Beteiligte zu 4) wohnt schon lange nicht mehr im Elternhaus. Beim Tod des Erblassers waren als Eigentümer des Hausgrundstücks er selbst zu 2/3 Anteil und die Beteiligte zu 4) zu 1/3 Anteil im Grundbuch eingetragen. Im zweiten Weltkrieg erlitt der Erblasser schwere Verletzungen. Er erhielt einen Kopfschuß an der rechten Stirnhälfte und verlor das linke Auge sowie den linken Unterschenkel. Im Jahre 1985 oder 1987 wurde ihm in einem Frankfurter Krankenhaus die rechte Niere wegen eines festgestellten Tumors entfernt. Trotz dieser schweren Behinderungen versorgte er sich bis zu seinem 80. Geburtstag selbst. Bis zu diesem Zeitpunkt erteilte er privat Musikunterricht. Seinen 80. Geburtstag feierte er am 18.1.1992 in einer Gaststätte in … Die Geburtstagsfeier hatte er selbst organisiert. Zu ihr hatte er auch die Beteiligte zu 4) eingeladen, die aber wegen einer Behinderung am Hüftgelenk nicht kam. Das Verhältnis des Erblassers, der nach dem Akteninhalt eine eigenwillige und schwierige Persönlichkeit war, zu seinen beiden Schwestern war nicht ungetrübt, und zwar auch wegen seiner gleichgeschlechtlichen Neigungen.
Am 19.1.1992 brach der Erblasser zuhause im Beisein von Angehörigen der Familie seiner Nichte … zusammen. Ein herbeigerufener Notarzt wies ihn in die … ein. Dort wurde er wegen einer Herz- und Kreislaufschwäche behandelt, und zwar bis zum 21.1.1992 in der Intensivstation und danach in der allgemein-internen Station B 22. Auf dieser Station behandelten ihn der Chefarzt dieser Abteilung, der Internist … und der Assistenzarzt … Noch am Aufnahmetag war er auch neurologisch untersucht worden. Mittels einer Computertomographie des Kopfes wurde eine Blutung dort ausgeschlossen. Am 23.1.1992 kam es bei ihm, zu einer erneuten Herzschwäche mit Atemnot sowie zu einer geringgradigen Halbseitenlähmung links, die aber nur von kurzer Dauer war. Der Erblasser erholte sich hiervon. Ab dem 28.1.1992 verweigerte er das Essen und Medikamente.
Am 30.1.1992 bat der Rechtsanwalt … am Main, der seine Kanzlei in derselben Straße hat, in der der Erblasser wohnte, namens des Erblassers den Notar … im Krankenhaus ein Testament des Erblassers zu beurkunden. Die Einzelheiten, die in das Testament aufgenommen werden sollten, gab Rechtsanwalt … dem Notar schriftlich und fernmündlich bekannt. Am Vormittag des 31.1.1992 suchten der … und der Rechtsanwalt … gemeinsam die Städtischen Kliniken in Frankfurt am Main (Höchst) auf. Der Notar wandte sich zunächst an den Assistenzarzt … der ihm auf Befragen erklärte, es bestünden keine Bedenken gegen die vorgesehene Beurkundung. Alsdann suchte der Notar den Erblasser am Krankenbett auf, das der Erblasser seit der Einlieferung in das Krankenhaus nicht verlassen hatte, auf und beurkundete im Beisein des Rechtsanwalts … ein Testament, das folgenden Wortlaut hat:
„Der Erschienene nach den Pest Stellungen des amtierenden Notars voll geschäfts- und testierfähig, erklärte mündlich seinen letzten Willen wie folgt:
I.
Ich habe bisher keine letztwilligen Verfügungen und Erklärungen abgegeben.
Rein vorsorglich hebe ich hiermit alle bisherigen letztwill...