Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzutreffende Entscheidung durch Beschluss statt durch Urteil - Grundsatz der Meistbegünstigung bei Rechtsmittel
Leitsatz (amtlich)
Zur Entscheidung des Berufungsgerichts, wenn das Erstgericht über die Rechtswegzuständigkeit fälschlich durch Urteil befunden hat.
Normenkette
ArbGG § 5 Abs. 3; GVG § 17 Abs. 4 S. 1, § 17a Abs. 2 S. 3; HGB § 92a Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.07.2010; Aktenzeichen 2-25 O 460/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. - 25. Zivilkammer - vom 18.7.2010 [2/25 O 260/09 (gemeint ist 2/25 O 460/09 - die Red.)] aufgehoben.
Der Zivilrechtsweg ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das zuständige ArbG Frankfurt/M. verwiesen.
Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
Die sofortige Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Durch das angegriffene Urteil, auf das zur Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird (Bl. 109 - 113 d.A.) hat das LG die auf Provisionsrückerstattung gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Rechtsweg zu den ArbG eröffnet sei. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Ziel weiter verfolgt. Sie begehrt hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG zur Durchführung einer Entscheidung nach § 17a GVG, äußerst hilfsweise die Verweisung an das ArbG Frankfurt/M.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Da das LG durch Urteil anstatt - wie durch § 17a Abs. 2 und Abs. 4 GVG vorgegeben - durch Beschluss entschieden hat (Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 17a GVG, Rz. 17 m. N. aus der Rechtsprechung) war nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung die Berufung statthaft und zulässig. Das Berufungsgericht ist auch nicht durch § 17a Abs. 5 GVG gehindert, die Zulässigkeit des Rechtsweges zu überprüfen. Denn es ist weder eine Entscheidung in der Hauptsache noch eine von Amts wegen zu treffende Entscheidung nach § 17a GVG ergangen. Die Rechtswegfrage ist im Berufungsverfahren nach wie vor entscheidungserheblich, denn das LG hat den Zivilrechtsweg für nicht gegeben erachtet, woran der Beklagte im Berufungsverfahren festhält, indem er das angefochtene Urteil verteidigt.
Inhaltlich ist das LG mit Recht davon ausgegangen, dass der Zivilrechtsweg nicht gegeben ist, weil der Beklagte unter dem Kreis der in §§ 92a HGB, 5 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz genannten Handelsvertreter fällt. Dass er in den letzten 6 Monaten des Vertragsverhältnisses nicht mehr als durchschnittlich EUR 1.000,- verdient hat, ist dabei unstreitig.
Der Beklagte ist auch als Handelsvertreter zu behandeln, welcher vertraglich nicht für weitere Unternehmen tätig werden darf (sog. Einfirmenvertreter).
Gemäß § 24 des Vertriebspartnervertrages durfte der Beklagte für andere Gesellschaften im Bereich der Vermittlung und der Beratung, bezogen auf Versicherungen und Finanzdienstleistungen nur mit ausdrücklicher Einwilligung der Klägerin unmittelbar oder mittelbar tätig werden. Die Berufung argumentiert, dabei handele es sich nur um die Konkretisierung des ohnehin nach § 86 HGB bestehenden Wettbewerbsverbotes für den Handelsvertreter. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn das Wettbewerbsverbot ist auf das Absatzgebiet des Unternehmers beschränkt (Baumbach/Hopt, HGB 34. Aufl. 2010, § 86 Rz. 27). Dabei kann es dahinstehen, wie das Absatzgebiet zu definieren ist, ob es sich beispielsweise auf den dem Handelsvertreter zugewiesenen Bezirk beschränkt (MK-v. Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 86 Rz. 37). Eine solche Einschränkung auf das Absatzgebiet findet sich nämlich in § 24 des Vertriebspartnervertrages nicht. Im Übrigen gehr der ausdrückliche Einwilligungsvorbehalt über das nur mittelbar auf den Vertrag einwirkende Wettbewerbsverbot aus § 86 HGB hinaus. Die vorgesehene Einwilligung ist hier nicht erteilt worden (vgl. LAG Hamm, Beschl. v. 18.2.2009 - 2 Ta 863/07). Ob der Beklagte um eine solche nachgesucht hat, ist dabei unerheblich.
Das weitere Argument, der Beklagte sei nicht daran gehindert, außerhalb der durch § 24 des Vertriebspartnervertrages untersagten Tätigkeit etwas anderes zu tun, vermag eine anders lautende Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Dieses Kriterium ist nicht maßgeblich für die Beurteilung, ob der Handelsvertreter als Einfirmenvertreter anzusehen ist, denn auch ein Handelsvertreter im Nebenberuf fällt unter die Vorschrift des § 92a HGB (BAG NJW 2005, 1146). Die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des hiesigen OLG (22. Zivilsenat, Beschl. v. 8.1.2010 - 22 W 55/09) ist daher ebenfalls nicht einschlägig.
Obwohl das LG im Ergebnis inhaltlich zutreffend entschieden hat, konnte das Urteil keinen Bestand haben, weil es die Klage nicht als unzulässig hätte abweisen dürfen (Zöller, a.a.O., Rz. 9). Für eine Entscheidung nach § 17a Abs. 2 GVG bedurfte es dabei keines Verweisungsantrages, weil über die Rechtswegfrage von Amtswegen zu entscheiden ist. Das angegriffene Urteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit durch Beschluss an das ArbG Frankfur...