Leitsatz (amtlich)
In Kindschaftsverfahren entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, von der Erhebung der Kosten für die Bestellung der Verfahrensbeistandskosten abzusehen, wenn den Eltern vor der Bestellung rechtliches Gehör hätte gewährt werden müssen und sich die Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands dadurch erübrigt hätte. Die Gewährung rechtlichen Gehörs kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistandes nach § 158 FamFG zweifelhaft und kein besonderes Eilbedürfnis gegeben ist.
Normenkette
FamFG §§ 81, 83, 158
Verfahrensgang
AG Groß-Gerau (Aktenzeichen 75 F 888/20) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die Kindeseltern haben die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
Kosten, die durch die Bestellung der Verfahrensbeiständin entstanden sind, werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen
Die durch die Beschwerde verursachten Gerichtskosten werden nicht erhoben. Von der Anordnung eines Ausgleichs außergerichtlicher Kosten der Beteiligten wird abgesehen.
Der Beschwerdewert wird auf bis 1.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die gemeinsamen sorgeberechtigten Eltern der betroffenen Kinder J, geboren 2011, und L, geboren 2014. Sie leben seit Mai 2019 voneinander getrennt. Mit Schreiben vom 1.7.2020 (Bl. 7 f d.A.) ließ die Antragstellerin den Antragsgegner auffordern, der Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Antragstellerin zuzustimmen oder ihr "zumindest eine Vollmacht zur alleinigen Ausübung der elterlichen Sorge zu erteilen". Nach Ablauf der gesetzten Frist zum 17.7.2020 erinnerte der Antragstellervertreter mit Schreiben vom 16.8.2020 an die Beantwortung des Schreibens. Hierauf erklärte der Antragsgegner mit Faxschreiben vom 25.8.2020, er werde zunächst eine auf ein Jahr befristete Vollmacht zur Ausübung des alleinigen Sorgerechts erteilen. Mit Schriftsatz vom 18.9.2020 beantragte die Antragstellerin die Übertragung der elterlichen Sorge für beide Kinder auf sich. Die Amtsrichterin bestellte mit Beschluss vom 23.9.2020 eine Verfahrensbeiständin und stellte den Antrag mit Verfügung vom gleichen Tag dem Antragsgegner zu. Dieser meldete sich nach Zustellung zunächst telefonisch bei der Geschäftsstelle und teilte mit, dass er sein Einverständnis zur Übertragung der elterlichen Sorge erteile. Mit nachfolgendem Schreiben vom 9.10.2020 (Bl. 14 ff d.A.) wandte er sich gegen die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Antragstellerin und überreichte eine auf ein Jahr befristete Vollmacht vom 9.10.2020 (Bl. 24 d.A.). Hierauf erklärte die Antragstellerin das Verfahren für erledigt, nachdem ihr zwischenzeitlich das Original der befristeten Sorgevollmacht zugegangen war.
Mit dem, dem Antragsgegner am 1.12.2020 zugestellten Beschluss, hob das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens gegeneinander auf und setzte den Verfahrenswert auf 3.000,- EUR fest.
Mit seiner am 3.12.2020 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die Kostenentscheidung. Die Antragstellerin, die ihren Antrag zurückgenommen habe, solle auch die Kosten tragen. Er habe bereits vor Einleitung des Gerichtsverfahrens mitgeteilt, dass er bereit sei, eine Vollmacht zur alleinigen Ausübung des Sorgerechts abzugeben. Die Einleitung des Verfahrens sei überflüssig gewesen.
Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben, §§ 63, 64 FamFG. Die isolierte Kostenbeschwerde in Kindschaftssachen ist auch dann zulässig, wenn der Beschwerdewert nach § 61 Abs. 1 FamFG nicht erreicht ist, da diese Vorschrift auf eine Kostenbeschwerde in einer nicht vermögensrechtlichen Angelegenheit keine Anwendung findet (BGH FamRZ 2013, 1961).
Die Beschwerde ist auch zum Teil begründet. Soweit das Amtsgericht die Kosten "gegeneinander aufgehoben" hat, ist dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zwar ist der Ausdruck "Kostenaufhebung" an § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO angelehnt, der in Kindschaftsverfahren nicht entsprechend anzuwenden ist (vgl. Keidel/Weber, FamFG, 20. Aufl., § 80 Rn. 1). Die Tenorierung ist allerdings vorliegend dahingehend auszulegen, dass die beteiligten Kindeseltern ihre Anwaltskosten selbst zu tragen haben und die Gerichtskosten im Übrigen jeweils zur Hälfte auferlegt werden.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach Erledigungserklärung im ersten Rechtszug nach §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1 FamFG. Danach entspricht es vorliegend billigem Ermessen, wenn die Gerichtskosten von den Kindeseltern jeweils hälftig getragen und die außergerichtlichen Kosten nicht erstattet werden. In Abänderung der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung entspricht es jedoch zudem der Billigkeit, wenn die Kosten, die durch die Bestellung der Verfahrensbeiständin entstanden sind, nic...