Entscheidungsstichwort (Thema)
Getrennte Namensführung in der Ehe gem. § 1355 Abs. 1 S. 2 BGB bei Anwendbarkeit deutschen Rechts nach einem Statutenwechsel
Leitsatz (amtlich)
1. Haben Ehegatten unter dem für ihre Namensführung zuvor maßgebenden ausländischen Recht bereits einen Ehenamen bestimmt und wird sodann für sie nach einem Statutenwechsel deutsches Recht anwendbar, so können sie für die Zukunft eine getrennte Namensführung in der Ehe gem. § 1355 Abs. 1 S. 2 BGB wählen, indem der Ehename als gemeinsamer Familienname entfällt und jeder Ehegatte fortan wieder seinen zur Zeit der Eheschließung geführten Namen erhält.
2. Bei Spätaussiedlern steht dem eine zuvor während des Aufnahmeverfahrens vollzogene Namensangleichung des Ehenamens nach § 94 BVFG nicht entgegen.
Normenkette
BGB § 1355; BVFG § 94; EGBGB § 10; PStG § 15c Abs. 1 Nr. 1, § 45 Abs. 2, §§ 48-49
Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 12.04.2006; Aktenzeichen 3 T 84/06) |
AG Kassel (Aktenzeichen 766 III 76/04) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Spätaussiedler aus der russischen Föderation. Sie schlossen am ... 1984 in ... (damals UdSSR) die Ehe und führten seitdem den (russischsprachigen) Geburtsnamen des Beteiligten zu 1) als Ehenamen. Diesen Namen erhielten auch die beiden 1985 und 1989 geborenen Kinder der Eheleute.
Die Beteiligten zu 1) und 2) und ihre Kinder fanden 2000 Aufnahme als Spätaussiedler in der Bundesrepublik Deutschland. Sie gaben während des Aufnahmeverfahrens Namensanpassungserklärungen ab, mit welchen sie jeweils die deutschsprachige Form ihrer Vornamen annahmen, die bisherigen Zwischennamen ablegten und den bisherigen Ehenamen in der männlichen Form der deutschen Sprache anpassten; die Beteiligte zu 2) nahm zusätzlich die deutschsprachige Form ihres Geburtsnamens an, der nicht Ehename war.
Nach Anlegung eines Familienbuches traten die Beteiligten zu 1) und 2) 2004 mit dem zunächst mündlich vorgetragenen Wunsch an die Standesbeamtin heran, die Namensführung in der Ehe dergestalt neu zu bestimmen, dass der bisherige Ehename entfallen und der Beteiligte zu 1) zukünftig weiterhin den Namen "X", die Beteiligte zu 2) zukünftig die deutschsprachige Form ihres Geburtsnamens "Y" führen will, wobei durch entsprechende Anschlusserklärungen auch die Kinder zukünftig den Geburtsnamen der Beteiligten zu 2) führen sollten.
Die Standesbeamtin legte über den Beteiligten zu 3) die Sache gem. § 45 Abs. 2 PStG dem AG als Zweifelsvorlage vor. Auf Anregung des Gerichts erklärten die Beteiligten zu 1) und 2) unter dem 5.1.2006 schriftlich vor der Standesbeamtin, für die Namensführung in der Ehe deutsches Recht zu wählen, wobei der Beteiligte zu 1) in der Ehe den Namen "X" und die Beteiligte zu 2) in der Ehe den Namen "Y" führe.
Sodann wies das AG die Standesbeamtin mit Beschluss vom 17.1.2006 an, die Erklärungen der Beteiligten zu 1) und 2) über die Auflösung ihres Ehenamens entgegen zu nehmen und die so bestimmten Namen in das Familienbuch einzutragen und führte zur Begründung aus, nach der Übersiedelung sei aufgrund des Statutenwechsels gem. Art. 10 Abs. 2 EGBGB die Möglichkeit zur Wahl des deutschen Rechtes eröffnet, die alle Möglichkeiten der Namensbestimmung in der Ehe nach § 1355 BGB gewähren müsse.
Auf die hiergegen von dem Beteiligten zu 3) eingelegte sofortige Beschwerde hob das LG den Beschluss des AG auf und stellte fest, die Standesbeamtin habe die Berichtigung des Familienbuches zu Recht abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, das maßgebliche deutsche materielle Recht biete keine gesetzliche Grundlage für die Auflösung des nach ausländischem Recht bestimmten und nach § 94 BVFG unwiderruflich bestimmten Ehenamens und die Wahl unterschiedlicher Familiennamen.
Mit der hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde erstrebt der Beteiligte zu 3) eine obergerichtliche Klärung zu der Rechtsfrage.
II. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 3) ist als weitere Beschwerde gem. §§ 48 Abs. 1, 49 PStG, 22, 27, 29 FGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Beteiligte zu 3) als Standesamtsaufsichtsbehörde hat nach § 49 Abs. 2 PStG unabhängig vom Vorliegen einer Beschwer jedenfalls ein Beschwerderecht, von welchem er Gebrauch machen kann, um eine obergerichtliche Entscheidung über eine Streitfrage herbei zu führen (vgl. BGHZ 121, 305 = StAZ 1993, 390; Hepting/Gaaz, PStG, § 49 Rz. 12; Johansson/Sachse, Anweisungs- und Berichtigungsverfahren in Personenstandssachen, Rz. 1443).
Das Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des LG auf einer unrichtigen Anwendung des Art. 10 EGBGB i.V.m. § 1355 BGB beruht.
Zu Recht hat das AG die Standesbeamtin zur Entgegennahme und Eintragung der namensbestimmenden Erklärungen der Beteiligten zu 1) und 2) in das Familienbuch nach §§ 45 Abs. 2, 15 c Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 1 PStG angewiesen. Zur Bestimmung der in der Ehe von den Beteiligten zu 1) und 2) zu führenden Namen ist deutsches Namenssachrecht anwendbar, wobei dahinstehen kann, ob dies auf...