Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Zu übertragendes Anrecht nach § 10 Abs. 1 VersAusglG kein "neues" Anrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem im Wege der internen Teilung nach § 10 Abs. 1 VersAusglG auf den Ausgleichsberechtigten zu übertragenden Anrecht handelt es sich nicht um ein "neues" Anrecht, das bis auf den ermittelten Ausgleichswert unabhängig von den rechtlichen Grundlagen der ehezeitlich bestehenden Anwartschaft des Ausgleichspflichtigen ausgestaltet ist. § 10 Abs. 1 VersAusglG sieht vielmehr die teilweise Übertragung eines bestehenden Anrechts im Sinne eines echten Real-Splittings vor, deren Modalitäten sich im Einzelnen nach § 11 VersAusglG richten (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2019, 876-880). Daher besteht auch für das zu übertragende Anrecht vollumfänglich eine Bindung an die Grundlagen der zu teilenden Anwartschaft.
2. Bei einem Anrecht aus einer privaten Rentenversicherung ist eine vergleichbare Wertentwicklung i. S. d. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VersAusglG regelmäßig nur dann gewährleistet, wenn der Garantiezins und die Sterbetafeln/Ausscheideanordnungen für das Anrecht der ausgleichspflichtigen und der ausgleichsberechtigten Person identisch sind (Anschluss an BGH FamRZ 2015, 1869-1873). Die in der Teilungsordnung eines Versorgungsträgers wörtlich oder sinngemäß enthaltene Regelung, wonach auf das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person "die aktuellen Rechnungsgrundlagen" oder ein aktueller Tarif anwendbar sind, verstößt daher nicht nur im Hinblick auf den unterschiedlichen Rechnungszins, sondern auch im Hinblick auf den Ersatz früher verwendeter Sterbetafeln durch aktuelle (geschlechtsneutrale) Sterbetafeln gegen den Halbteilungsgrundsatz (vgl. Senat FamRZ 2017, 878). Dem steht ungeachtet der sog. "Test-Achats"-Entscheidung des EuGH (NJW 2011, 907-909) nicht entgegen, dass für neue Anrechte keine geschlechtsspezifischen Tarife mehr angewandt werden dürfen.
3. Das bei Durchführung des gesetzlichen Versorgungsausgleichs nach den Zielen des Gesetzgebers des VAStrRefG auch zu berücksichtigende Ziel einer möglichst geringen Belastung der Versorgungsträger wird erreicht, wenn im Rahmen der internen Teilung bei Anwendung der früheren Rechnungsgrundlagen die alten geschlechtsspezifischen Tarife in der Lebensversicherung lediglich "gedoppelt" werden müssen.
Normenkette
VersAusglG § 10 Abs. 1, § 11
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.02.2017; Aktenzeichen 403 F 3423/15) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird zu Ziffer II. 3. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der X Pensionskasse AG (Vers.-Nr. ...) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 4.929,02 EUR, bezogen auf den 31.10.2015, übertragen.
Die Übertragung erfolgt gemäß der Ordnung für die Teilung von Lebensversicherungen aufgrund des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (Teilungsordnung) in der Fassung vom 01.01.2012 sowie nach Maßgabe des Tarifs VGR3U(PE) mit der Maßgabe, dass
- abweichend von Zf. 3 lit. b) und in Konkretisierung von Zf. 3 lit. e) der Teilungsordnung der Ausgleichswert in dem Zeitraum zwischen dem 01.01.2014 und dem Eintritt der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung an einer etwaigen biometrischen Wertentwicklung des auszugleichenden Anrechts teilhat,
- abweichend von Zf. 5 lit. c) aa), bb) und cc) der Teilungsordnung die aktuellen Tarife mit den Rechnungsgrundlagen der Tarifgeneration des ausgleichspflichtigen Vertrages für das neue Anrecht zur Anwendung kommen, insbesondere hinsichtlich der zugrundeliegenden Sterbetafeln und des zugrundeliegenden Rechnungszinses,
- der auf die Bezugsgröße Deckungskapital entfallende Ausgleichswert für den Zeitraum zwischen dem 01.01.2014 und dem Eintritt der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung mit einem Zinssatz von 3,25 % p.a. aufzuzinsen ist,
- abweichend von Ziffer 5 lit. c) aa) die aktuellen Versicherungsbedingungen des Tarifs VGR3U zu den jeweiligen Tarifen nur insoweit zur Anwendung gelangen, wie sie nicht im Widerspruch zu den vorstehenden Maßgaben stehen.
Von der Erhebung gerichtlicher Kosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 1.500 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Ausgleich eines Anrechts der privaten Altersvorsorge.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt/Main, Außenstelle Höchst, hat auf den am 12.11.2015 zugestellten Scheidungsantrag mit insoweit rechtskräftigem Beschluss vom 15.02.2017 die am XX.XX.1984 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute geschieden und den Ausgleich ihrer insgesamt sieben Versorgungsanrechte durchgeführt. Zuvor hatten die Eheleute mit notariell beurkundetem Vertrag vom 10.09.2014 eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich getroffen, nach der nach dem 31.12.2013 erworbene Anrechte ...