Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren zur Frage der Testierfähigkeit bei möglicher vaskulär bedingter Demenz und gegebenenfalls überlagernden oder begleitenden passagaren Zusatzsymptomen.
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4; FamFG §§ 26, 69 Abs. 1 S. 3, Abs. 2
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Entscheidung vom 31.08.2015) |
Tenor
Die Sache wird unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Wiesbaden - Nachlassgericht - zurückverwiesen.
Das Nachlassgericht wird auch darüber zu befinden haben, wer die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu tragen hat.
Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) wendet sich mit der am 28.10.2015 bei dem Nachlassgericht eingegangenen Beschwerdeschrift ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag gegen den diesen am 29.09.2015 zugestellten Beschluss des Nachlassgerichts vom 31.08.2015.
Mit diesem Beschluss, auf den wegen seiner Begründung Bezug genommen wird (Bl. 429 ff der Nachlassakte), hat das Nachlassgericht zum einen den am 24.05.2013 zu Protokoll des Nachlassgerichts erklärten Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) (Bl. 122 f der Nachlassakte) zurückgewiesen, mit dem diese unter Bezugnahme auf das am 22.11.2012 eröffnete notarielle Testament der Erblasserin vom 18.10.2012 (Urkunde des Notars A Nr. ..., Bl. 89 ff der Nachlassakte) die Erteilung eines Erbscheins begehrt, der sie als alleinige Erbin der Erblasserin ausweist. Zum anderen hat das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) unter dem 05.06.2013 (Bl. 149 ff der Nachlassakte) in der Fassung vom 20.08.2015 (Bl. 424 ff der Nachlassakte) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Danach soll die Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge beerbt worden sein durch den Beteiligten zu 2) zu 2/3, die Beteiligte zu 3) zu 1/6 sowie die Beteiligten zu 4) und 5) zu jeweils 1/12.
Wegen der familiären Verhältnisse der kinderlos verstorbenen Erblasserin und deren Lebenssituation in den letzten Jahren vor ihrem Tod im Einzelnen wird auf die umfassende Darstellung in dem angefochtenen Beschluss des Nachlassgerichts verwiesen (dort S. 2).
Die zweimal verheiratet gewesene Erblasserin hat nach Heirat mit ihrem zweiten Ehemann am 12.05.1972 ein auf den 01.08.1972 datiertes gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, in dem die Eheleute sich gegenseitig zu alleinigen Erben ihres Vermögens eingesetzt haben und weiterhin verfügt haben: "Nach dem Tode des Längstlebenden soll die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten" (Bl. 13 der Nachlassakte). Dieses Testament ist ebenfalls am 22.11.2012 nach dem Tod der Erblasserin nochmals eröffnet worden.
Der am XX.06.1984 vorverstorbene zweite Ehemann der Erblasserin hatte zuvor mit seiner ersten Ehefrau am 03.11.1966 ein nach dessen Tod nochmals eröffnetes, auf den 03.11.1966 datiertes handschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet (Bl. 4 der Nachlassakte), das denselben Wortlaut hat, wie das zuvor genannte gemeinschaftliche, auf den 01.08.1972 datierte handschriftliche Testament.
Das Nachlassgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Erblasserin bei der Errichtung ihres notariellen Testaments vom 18.10.2012 zwar in ihrer Testierfreiheit nicht durch das mit ihrem vorverstorbenen Ehemann am 01.08.1972 errichtete gemeinschaftliche Testament in ihrer Testierfreiheit beschränkt gewesen sei, da die in dessen inhaltsgleichem gemeinschaftlichen Testament mit seiner vorverstorbenen ersten Ehefrau vom 03.11.1966 angeordnete gesetzliche Schlusserbfolge zu Gunsten deren gemeinsamen Abkömmlings wechselbezüglich zu der jeweiligen Alleinerbeneinsetzung der damaligen Eheleute gewesen sei, so dass der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin diese Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod seiner ersten Ehefrau nicht mehr habe widerrufen können. Somit sei die wechselseitige Erbeinsetzung der Erblasserin und ihres vorverstorbenen zweiten Ehemanns in dem gemeinschaftlichen Testament vom 01.08.1972 unwirksam. Die Erblasserin sei daher nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes an die in deren gemeinschaftlichem Testament vom 01.08.1972 nach dem Längstlebenden angeordnete gesetzliche Erbfolge nicht gebunden gewesen und habe anderweitig letztwillig verfügen dürfen. Allerdings sei die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments vom 18.10.2012 nicht mehr testierfähig gewesen. Wegen der Begründung der vom Nachlassgericht angenommenen Testierunfähigkeit im Einzelnen, wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Weiterhin wird verwiesen auf den Inhalt des Protokolls der Anhörung und Beweisaufnahme des Nachlassgerichts vom 25.07.2014 über die Vernehmung der Zeug...