Leitsatz (amtlich)

Zur Ergänzungspflegerbestellung für die Vertretung des Kindes bei der Erbauseinandersetzung.

 

Normenkette

BGB §§ 1626, 1629, 1680, 1795, 2041

 

Verfahrensgang

AG Bad Schwalbach (Beschluss vom 06.11.2006; Aktenzeichen 12 F 698/06)

 

Tenor

Die Beschlüsse vom 19.10.2006 und vom 6.11.2006 werden aufgehoben.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

I. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.10.2006 hat die Rechtspflegerin des FamG Ergänzungspflegschaft für das am ... 1999 geborene Kind angeordnet. Der Wirkungskreis umfasst "die Wahrnehmung und Vertretung des Kindes bei der Erbauseinandersetzung in der Nachlassangelegenheit nach dem verstorbenen Kindesvater A (geboren am ... 1951/verstorben am ... 2006), insb. bei der Veräußerung vorhandenen Grundbesitzes (Erbnachweis: Erbschein vom 9.8.2006 des Nachlassgerichts Idstein, Az: 22-VI 115/06)."

Die Bestellung des Ergänzungspflegers hat das FamG dem zuständigen VormG vorbehalten. Dieses hat unter dem 25.10.2006 auf rechtliche Bedenken hingewiesen. Unter dem 6.11.2006 hat das FamG den Wirkungskreis darauf hin wie folgt neu gefasst:

"Der Wirkungskreis umfasst die Wahrnehmung und Vertretung des Kindes bei der Erbauseinandersetzung in der Nachlassangelegenheit nach dem verstorbenen Kindesvater A (geboren am ... 1951/verstorben am ... 2006), insb. bei der im Rahmen der Erbauseinandersetzung erfolgenden Veräußerung vorhandenen Nachlassgrundbesitzes (Erbnachweis: Erbschein vom 9.8.2006 des Nachlassgerichts Idstein, Az: 22-VI 115/06)."

Beide Beschlüsse wurden der Kindesmutter nur formlos bekannt gemacht.

Unter dem 20.11.2006 hat die Kindesmutter gegen den Beschluss vom 19.10.2006 beim FamG "Beschwerde" eingelegt. Diese ging am 21.11.2006 beim FamG ein. Das VormG hat die Bestellung und Verpflichtung eines Ergänzungspflegers mit Beschluss vom 24.11.2006 abgelehnt.

Das FamG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13.12.2006 nicht abgeholfen und diese dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Die Akten gingen am 20.12.2006 beim Beschwerdegericht ein.

II. Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft ist das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde i.S.v. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 621e ZPO statthaft. Denn die von dem nach § 3 Nr. 2a i.V.m. § 14 RPfG funktionell zuständigen Rechtspfleger getroffene Endentscheidung betrifft einen Teilbereich der elterlichen Sorge i.S.v. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (vgl. OLG Koblenz, ZERB 2007, S. 15 f.).

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie noch innerhalb der Notfrist des § 621e Abs. 3 i.V.m. § 517 ZPO fristgerecht beim OLG eingegangen.

Grundsätzlich läuft die Beschwerdefrist vom Zeitpunkt der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung an (vgl. § 621e Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 517 Hs 2 ZPO). An einer förmlichen Zustellung fehlt es hingegen vorliegend. Lässt sich die förmliche Zustellung nicht nachweisen, so gilt sie in dem Zeitpunkt als zugestellt, indem sie tatsächlich zugegangen ist (vgl. § 189 ZPO). Die Frist beginnt daher unter Berücksichtigung von § 222 ZPO i.V.m. § 187 BGB frühestens am 23.10.2006, so dass sie am 23.11.2006 endet. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerde zwar entgegen § 621e Abs. 3 ZPO nicht innerhalb der Monatsfrist beim Beschwerdegericht eingelegt. Die versehentliche Adressierung der Beschwerde an das Beschwerdegericht schadet aber vorliegend ausnahmsweise nicht. Denn das Rechtsmittel ist innerhalb der Beschwerdefrist beim FamG eingegangen und die Beschwerdeführerin durfte darauf vertrauen, dass das FamG fristgerecht die Beschwerde an das OLG weiterleitet. Im Übrigen wäre die Beschwerde bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang auch noch fristgerecht beim OLG eingegangen.

2. Die Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

a) Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das FamG überhaupt zur Entscheidung berufen war (zum Meinungsstreit: Staudinger-Beinwald, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1909 Rz. 38 m.w.N.; MünchKomm-Schwab, BGB, § 1909 Rz. 62), denn diese Frage ist einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen (vgl. § 621e Abs. 4 Satz 1 ZPO).

b) Die Beschwerde hat jedoch deshalb Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft i.S.v. § 1909 BGB derzeit nicht vorliegen.

Die der Beschwerdeführerin als Kindesmutter nach dem Tod des Vaters alleine zustehende elterliche Sorge (vgl. § 1680 Abs. 1 i.V.m. §§ 1626, 1629 BGB) ist lediglich in den gesetzlich beschriebenen Ausnahmefällen eingeschränkt. An einer gesetzlichen Beschränkung der elterlichen Sorge in diesem Sinne fehlt es vorliegend. Ins-besondere besteht kein gesetzlicher Vertretungsausschluss nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB. Hiernach besteht wegen der abstrakten Gefahr eines Interessenkonflikts in den Fällen ein gesetzlicher Vertretungsausschluss, in denen der gesetzliche Vertreter (hier die Beschwerdeführerin) auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts tätig wird. Hingegen werden solche ...

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