Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung der stillschweigend bejahten Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges
Leitsatz (amtlich)
1. Die Darlegungs- und Beweislast für eine die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des § 604 Abs. 3 BGB ausschließende fest vereinbarte Leihdauer (§ 604 Abs. 1 BGB) oder einen vereinbarten Zweck (§ 604 Abs. 2 BGB) trägt der Entleiher.
2. Aus § 17a Abs. 5 und 6 GVG folgt, dass das Rechtsmittelgericht die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts, die Zulässigkeit des Rechtswegs ausdrücklich oder unausgesprochen zu bejahen, grundsätzlich als bindend hinnehmen muss.
Normenkette
BGB §§ 281, 604, 985; FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 1; GVG § 17a Abs. 5-6; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 255 Abs. 1, §§ 259, 314
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 22.12.2022; Aktenzeichen 7 O 149/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Dezember 2022 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das am 22. Dezember 2022 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf EUR 15.800,00 festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Berufung ist nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Sach- und Rechtslage kann mit der Beklagten im schriftlichen Verfahren angemessen erörtert werden.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 23. Mai 2023, in dem Ergänzungen der tatsächlichen Feststellungen dargestellt sind, wird Bezug genommen. Des Weiteren wird auf die Ausführungen zur Sach- und Rechtslage unter I. 1 und I. 2 der Gründe des Beschlusses des Senats vom 23. Mai 2023 (Bl. 101 ff. d. A.) verwiesen.
Die Beklagte hat zu den Hinweisen des Senats wie folgt Stellung genommen:
Nach § 266 Abs. 1 Nr. 1 FamFG sei im Streitfall das Familiengericht zuständig. Zwar seien die Parteien im Zeitpunkt der Klageeinreichung ehemalige Verlobte, doch auch ein ehemaliges Verlöbnis habe Auswirkungen auf die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts. Die Parteien hätten sich damals in der Ukraine miteinander verlobt. Noch am Tage des Verlöbnisses hätten die Parteien "den Verlobungsring gekauft". Die Parteien hätten sodann am 13. November 2013 eine notarielle Unterhaltsvereinbarung geschlossen.
Die Beklagte beantragt (der Sache nach hilfsweise),
den Rechtsstreit an das zuständige Amtsgericht (Familiengericht) zu verweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme der Beklagten wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 19. Juni 2023 (Bl. 113 ff. d. A.) Bezug genommen.
II. Der Senat bleibt auch nach nochmaliger Überprüfung bei seiner in dem Hinweisbeschluss vom 23. Mai 2023 (Bl. 101 ff. d. A.) näher begründeten Auffassung.
Die Stellungnahme der Beklagten zu den Hinweisen des Senats gibt für eine abweichende rechtliche Beurteilung keinen Anlass.
Eine Verweisung des Rechtsstreits an ein Amtsgericht kommt nicht in Betracht.
Gemäß § 17a Abs. 5 GVG, der hier nach § 17a Abs. 6 GVG entsprechende Anwendung findet, prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dies bedeutet, dass das Rechtsmittelgericht die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts, die Zulässigkeit des Rechtswegs ausdrücklich oder unausgesprochen zu bejahen, grundsätzlich als bindend hinnehmen muss (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18.09.2008 - V ZB 40/08 -, NJW 2008, 3572, 3573; Beschluss vom 07.11.2019 - V ZB 12/16 -, NVwZ-RR 2020, 380, 381; Gerhold, in: Graf (Hrsg.); BeckOK GVG, 19. Edition, Stand: 15.05.2023, § 17a GVG, Rdnr. 17; Lückemann, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 17a GVG, Rdnr. 18; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 17a GVG, Rdnr. 24; Kissel, NJW 1991, 945, 950). Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zweifelhaft ist. Die Bindungswirkung des § 17a Abs. 5 GVG entfällt dadurch nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 18.09.2008 - V ZB 40/08 -, NJW 2008, 3572, 3573).
Diese Beschränkung der Prüfungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts gilt allerdings nach verbreiteter Ansicht nicht ausnahmslos (zu einer - hier nicht einschlägigen Ausnahme - im Anwendungsbereich des Art. 34 Satz 3 GG vgl. etwa LSG Hessen, Urteil vom 11.03.2020 - L 6 AS 269/19 -, juris; Gerhold, a. a. O., § 17a GVG, Rdnr. 17). Eine Ausnahme von dem Überprüfungsverbot nach § 17a Abs. 5 GVG wird insbesondere für den Fall erwogen, in dem die Zulässigkeit des Rechtswegs schon in erster Instanz gerügt worden ist. Wurde die Zulässigkeit des Rechtswegs in erster Instanz gerügt, ein...