Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit eines Rechtsmittels bei Anschein einer gerichtlichen Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
Für die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels genügt der Anschein einer gerichtlichen Entscheidung (hier: Unterbringungsbeschluss).
Normenkette
FamFG § 57 S. 1, § 58 Abs. 1, § 167 Abs. 1 S. 1, § 331
Tenor
Es wird festgestellt, dass eine Genehmigung der Unterbringung des Kindes in einer geschlossenen Einrichtung im Wege der einstweiligen Anordnung durch einen familiengerichtlichen Beschluss vom 19.10.2009 nicht vorliegt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
Gründe
I. Das betroffene Kind wurde im Februar 1994 geboren. Mit Antrag vom 28.9.2009 begehrte der Vater die Genehmigung der Unterbringung seines Sohnes in einer geschlossenen Einrichtung. Das AG hat ein ärztliches Attest eingeholt, welches unter dem 12.10.2009 erstattet worden ist. Es hat zudem das Jugendamt schriftlich sowie den Vater und das Kind persönlich angehört. Unter dem 19.10.2009 wurde die Ausfertigung eines im Wege einstweiliger Anordnung erlassenen Unterbringungsbeschlusses nebst Bestellung eines Verfahrensbeistandes an das Kind, den Vater, das Jugendamt und den Verfahrensbeistand - nicht jedoch an die Mutter - zugestellt. Ein Beschluss befindet sich lediglich als Entwurf in der Akte. Dieser ist von der Richterin nicht unterschrieben. Mit einem am 2.11.2009 beim AG eingegangenen Schreiben hat das Kind Beschwerde eingelegt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens wurde der Mutter und dem Verfahrensbeistand rechtliches Gehör gewährt.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet. Es führt zur Beseitigung des äußeren Anscheins einer tatsächlich und rechtlich nicht existenten Entscheidung des AG vom 19.10.2009.
1. Das Rechtsmittel der Beschwerde, welches durch das AG erst dem LG zur Entscheidung zugeleitet worden ist, ist statthaft. Für die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels genügt zum einen der Anschein einer gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerfG, NJW 1985, 788). Zum anderen ergibt sich die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen einstweilige Anordnungen in den Kindschaftssachen der § 151 Nr. 6 und 7 FamFG aus § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 331 i.V.m. § 58 Abs. 1 FamFG. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 57 FamFG. Zwar bestimmt § 57 Satz 1 FamFG, dass einstweilige Anordnungen in Familiensachen nicht anfechtbar sind, womit nach § 111 Nr. 2 i.V.m. § 151 Nr. 6 FamFG auch einstweilige Anordnungen zur Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen nach § 1631b BGB erfasst sein könnten. Zumal einer der in § 57 Satz 2 FamFG genannten Ausnahmefälle nicht gegeben ist. Nach § 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG finden auf das Unterbringungsverfahren Minderjähriger aber die Vorschriften über die Unterbringungssachen (§§ 312 ff. FamFG) Anwendung. Dort ist die Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung statthaft (vgl. nur Keidel-Budde, FamFG, § 331 Rz. 10). Unbeschadet dessen ergibt sich die Anfechtbarkeit der einstweiligen Anordnung in Unterbringungsverfahren betreffend Minderjährige auch aus einer historischen Auslegung. Denn es ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber an der Anfechtbarkeit dieser einstweiligen Anordnungen, die sich aus §§ 70 m Abs. 1 i.V.m. 70g Abs. 3 Satz 1 FGG a.F. ergab, etwas ändern wollte. Die Problematik wurde durch die nahezu unveränderte Übernahme von § 620c ZPO a.F. in § 57 FamFG schlichtweg übersehen.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist das Kind vorliegend mit Blick auf §§ 59 Abs. 1, 167 Abs. 3 FamFG beschwerdeberechtigt.
2. Die Beschwerde ist begründet.
Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S.v. § 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. § 331 FamFG mit Blick auf § 1631b BGB vorliegend erfüllt sind. Insoweit bestehen mit Blick auf die Gestaltung des erstinstanzlichen Verfahrens unter Berücksichtigung der Intensität des Eingriffs in die Grundrechte des betroffenen Kindes Bedenken (hierzu BVerfG, FamRZ 2007, 1627 ff.). Diese ergeben sich zum einen auf Grund der bislang unzureichend aufgeklärten Rechtslage zum Sorgerecht, über die sich das Gericht im Rahmen des § 26 FamFG eine eigene Überzeugung zu verschaffen hat. Zum anderen lag eine aktuelle Zustimmungserklärung der wohl ebenfalls personensorgeberechtigten Mutter, der vom AG überdies rechtliches Gehör nicht gewährt worden ist, zum Zeitpunkt des (beabsichtigten) Erlasses der Entscheidung nicht vor. Schließlich bestehen Bedenken auch im Hinblick auf den Zeitpunkt der (beabsichtigten) Bestellung des Verfahrensbeistandes (vgl. auch § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 331 Abs. 1 Ziff. 3 FamFG). Überdies ist eine Abhilfeprüfung des AG (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FamFG) unterblieben.
Die Beschwerde ist unbeschadet dessen deswegen begründet, weil ein wirksamer Beschluss nicht vorliegt und der Mangel im Rahmen des Abhilfeverfahrens ohnehin nicht geheilt werden kann. Denn nach § 38 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist der gerichtliche Beschluss zu unterschreiben....