Entscheidungsstichwort (Thema)
Anpassung einer Kindesschutzmaßnahme nach § 1696 Abs. 2 BGB
Normenkette
BGB § 1696
Tenor
Die angefochtene Entscheidung und das Verfahren werden aufgehoben und mit der Maßgabe an das Familiengericht zurückverwiesen, dort in dem mit vorliegender Entscheidung eingeleiteten Abänderungsverfahren die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der die Kinder Kind1, geb. am XX.XX. 2022, und Kind2, geb. am XX.XX. 2019, betreffenden kindesschutzrechtlichen Maßnahmen (Teilentzug der elterlichen Sorge) zu prüfen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Den Eltern wird für den zweiten Rechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A in Stadt1 bewilligt.
Gründe
I. Die Beschwerdeführer begehren die Rückübertragung der ihnen mit Beschluss des Familiengerichts vom 08.02.2023 entzogenen Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihre beiden Söhne Kind1 (ein Jahr alt) und Kind2 (vier Jahre alt). Die Jungen leben inzwischen in einer Erziehungs- und in einer Pflegestelle.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Stadt4 hatte den Eltern im Ausgangsverfahren (Az. ...SO) nach Bestellung einer Verfahrensbeiständin, Einholung eines Sachverständigengutachtens und persönlicher Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 08.02.2023 die elterliche Sorge für ihre insgesamt neun gemeinsamen minderjährigen Kinder, darunter Kind1 und Kind2, mit wesentlichen Teilbereichen entzogen und auf zwei jeweils unterschiedlichen Kindern zugeordnete Ergänzungspfleger übertragen. Bei Kind2 beschränkt sich der Entzug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht, bei Kind1 umfasst er darüber hinaus auch noch die Gesundheitssorge, die Sorge für Kindergartenangelegenheiten und schulische Belange und das Antragsrecht nach SGB VIII. Beide Jungen wurden außerfamiliär untergebracht und sind in Einrichtung bzw. Pflegestelle inzwischen gut angebunden.
Begründet wurde die Ausgangsentscheidung unter Bezugnahme auf §§ 1666, 1666a BGB im Wesentlichen mit der Erwägung, für beide Kinder bestehe eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich ohne Maßnahmen des Familiengerichts bei einer weiteren aktuellen Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lasse. Bei den Kindeseltern handelt es sich um gebürtige Rumänen, die zur Ethnie der Roma zählen, der Vater (43) ist Analphabet, die Mutter (40) zumindest der deutschen Schriftsprache nicht mächtig. Aus den jeweiligen ersten Ehen beider Eltern sind mehrere inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen, aus ihrer jetzigen gemeinsamen Ehe stammen 9 Kinder im Alter von anderthalb bis zu 14 Jahren, die sämtlich vom Ausgangsverfahren betroffen waren. Die Familie ist seit 2011 jugendamtsbekannt, lebte zunächst in einer für ihre Größe völlig unzureichenden Zwei-Zimmer-Wohnung in Stadt2, zog aber später (wohl 2020) in ein Haus von zumindest angemessener Größe mit Garten nach Stadt3 um. Auch fielen mehrere Familienangehörigen mit kriminellen Handlungen auf; die inzwischen volljährige Tochter Kind3 aus erster Ehe des Vaters verbüßte von Juni 2020 bis April 2021 eine Haftstrafe "wegen Diebstahls und Bandenkriminalität", die Mutter war von September 2020 bis März 2022 wegen Diebstahls, Bandenkriminalität und Fahrens ohne Fahrerlaubnis inhaftiert. Auch zwei der Söhne waren bereits wegen Diebstahls polizeilich aufgefallen, aber auch wegen Einbrüchen und Brandstiftungen in einer Kleingartenanlage. Da nach eigenem Verständnis der Roma Kindererziehung alleinige Aufgabe der Mutter sei (so jedenfalls der Bevollmächtigte der Eltern im Ausgangsverfahren), wurde diese während der Haft der Mutter überwiegend der Großmutter überlassen, die dabei allerdings körperliche und psychische Gewalt einsetzte (Schläge mit Stock, Anschreien etc.). Auch sollen einige der betroffenen Kinder der Verfahrensbeiständin berichtet haben, vom Vater geschlagen worden zu sein. Kind2 wurde mit seinen Geschwistern Kind4 und Kind5 während der Inhaftierung der Mutter bei dieser in einer Mutter-Kind-Einrichtung der JVA untergebracht.
Resultat der defizitären Erziehung der Eltern waren neben auffälliger Delinquenz und Gewaltneigung mehrerer der neun Kinder eine gravierende Vernachlässigung ihres Schulbesuchs (die sich an regelmäßig zu beobachtender Übermüdung der Kinder und einer Vielzahl an teils unentschuldigten Fehltagen zeigte, ferner im durchgängigen Nichterledigen von Hausaufgaben, Nichtmitbringen von Schulbüchern und Nahrung und dem Verlassen des Schulgeländes für den ganzen Morgen ohne Genehmigung), ein dissoziales Verhalten (Prügeln und Nötigen anderer Kinder, Beschimpfen, Bespucken usw.) mit der Folge nicht nur des Nichterreichens des Klassenziels bei mehreren der Geschwister von Kind2 und Kind1, sondern des Fehlens basaler Fähigkeiten auch bei den älteren Kindern. Auch die Kleineren zeigten bereits ein in hohem Maß auffälliges Verhalten; so habe Kind2 nach Berichten des Kindergartens gemeinsam mit seinem Bruder Kind4 durch sein Verhalten den dortigen ...