Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung eines dritten Gerichts innerhalb Kompetenzkonflinkts gem. § 36 I Nr. 6 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Ist im Falle eines Kompetenzkonfliktes nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Verweisungsbeschluss ausnahmsweise nicht nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend und ist keines der bislang beteiligten Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, so kann das Bestimmungsgericht auch ein drittes, bislang noch nicht mit dem Rechtsstreit befasstes Gericht bestimmen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Klägerseite einen entsprechenden Verweisungsantrag gestellt hat.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.10.2014; Aktenzeichen 31 C 2059/13 (83)) |
Tenor
Der Verweisungsbeschluss des AG Frankfurt/M. vom 19.10.2014 wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der - nunmehr - beklagten Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung wegen verspäteter Beförderung. Sie hatte einen Flug vom Flughafen Baden-Baden in 77836 Rheinmünster nach Antalya für den ... 10.2012 gebucht. Dieser Flug hatte bei Ankunft mehr als fünf Stunden Verspätung.
Die Klägerin hatte zunächst im Rahmen des Mahnbescheids die in O1 ansässige Gesellschaft X GmbH (i. F.: X GmbH) als Beklagte in Anspruch genommen und für den Fall des Widerspruchs das AG Frankfurt/M. als Prozessgericht benannt. An dieses Gericht wurde der Rechtsstreit nach Widerspruch der Beklagten abgegeben. Im Laufe des Rechtsstreits beantragte die Klägerin eine Änderung des Passivrubrums auf die nunmehrige Beklagte, da der von ihr für den maßgeblichen Flug angegebene IATA-Code "Z" nicht der zunächst in Anspruch genommenen X GmbH zugeordnet werden konnte.
Das AG Frankfurt/M. wies mit Beschluss vom 7.4.2014 eine Rubrumsberichtigung zurück, da kein Fall einer offensichtlichen Unrichtigkeit vorliege. Die Klägerin nahm daraufhin die hiesige, in der Türkei ansässige Beklagte in Anspruch. Das AG Frankfurt wies daraufhin mit Verfügung vom 26.5.2014 auf Bedenken hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit hin. Die Klägerin beantragte entsprechend mit Schriftsatz vom 2.6.2014 die Verweisung des Rechtsstreits an das AG Baden-Baden. Diesen Schriftsatz leitete das AG Frankfurt/M. dem Beklagtenvertreter unter Angabe des früheren Rubrums mit der Möglichkeit zur Stellungnahme binnen einer Woche zu.
Mit Beschluss vom 25.6.2014 hat sich das AG Frankfurt/M. für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Baden-Baden verwiesen. Mit Schriftsatz vom 3.7.2014 erklärte die Beklagte, sich rügelos vor dem AG Frankfurt/M. einlassen zu wollen.
Mit Beschluss vom 15.8.2014 hat das AG Baden-Baden den Rechtsstreit an das AG Frankfurt/M. zurückverwiesen. Zur Begründung führte es aus, dass das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt sei, da allein die zunächst in Anspruch genommene X GmbH angehört worden sei. Das AG Frankfurt/M. hat sich daraufhin nach Anhörung der hiesigen Beklagten erneut mit Beschluss vom 19.10.2014 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Baden-Baden verwiesen.
Dieses hat unter Rücksendung der Akten an das AG Frankfurt/M. eine Vorlage nach § 36 ZPO angeregt und im Rahmen eines Vermerks festgehalten, dass das AG Bühl für den Flughafen Baden-Baden zuständig sein dürfte. Das AG Frankfurt/M. hat daraufhin den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem OLG Frankfurt vorgelegt.
Nachdem der Senat darauf hingewiesen hatte, dass der Verweisungsbeschluss nicht bindend und im Ergebnis das AG Bühl örtlich zuständig sein dürfte (156), hat die Klägerin der Beklagten vorgeschlagen, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu schließen. Ein Verweisungsantrag wurde nicht gestellt. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
II. Das OLG Frankfurt ist zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites berufen, da das zuerst angerufene AG Frankfurt/M. zum Bezirk des OLG Frankfurt gehört (§ 36 Abs. 2 ZPO).
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen derzeit nicht vor. Im Hinblick auf die fehlende Bindungswirkung ist der Verweisungsbeschluss des AG Frankfurt/M. zwar klarstellend aufzuheben (unter 1.). Der Bestimmung des örtlich zuständigen AG Bühl steht vorliegend jedoch entgegen, dass es am Bestimmungsverfahren nicht beteiligt ist und die Klägerin keinen Verweisungsantrag gestellt hat (unter 2.).
1. Der Verweisungsbeschluss ist nicht gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO für das AG Baden-Baden bindend, da er sich als willkürlich erweist. Er ist klarstellend aufzuheben.
a. Zwar kommt Verweisungsbeschlüssen Bindungswirkung auch dann zu, wenn sie möglicherweise fehlerhaft sind. Sie sind grundsätzlich im Interesse der Prozessökonomie sowie zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und dadurch bewirkter Verzögerungen und Verteuerungen in der Gewährung effektiven Rechtsschutzes unanfechtbar und nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht erlassenen Verweisungsbeschluss grundsätzlich jeder Nachprüfung (BGH NJW 198...