Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Der Testamentserbe kann sich den gesetzlichen Erben gegenüber nicht auf die Vermutung der Richtigkeit des erteilten Erbscheins gemäß § 2365 BGB berufen; vielmehr muß der gemäß § 2362 Abs. 1 BGB verklagte Erbscheinsbesitzer ebenso wie im Amtseinziehungsverfahren gemäß § 2361 BGB den Ausschluß des von den Klägern dargelegten gesetzlichen Erbrechts nachweisen, wozu insbesondere die Echtheit des dem Erbschein zugrundeliegenden Testaments gehört.
Normenkette
ZPO §§ 416, 439-440; BGB §§ 2361-2362, 2365
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.01.1993; Aktenzeichen 2/25 O 344/91) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Januar 1993 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 48.000.– DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer beträgt 612.975.– DM.
Tatbestand
Am 23.6.1989 stellte der Beklagte beim Nachlaßgericht in … einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben der am 15.6.1923 geborenen und am 11.5.1989 in … verstorbenen, unverehelichten … ausweisen sollte (Az. 4 VI K 48/89). Er berief sich dabei auf ein privatschriftliches Testament, das ihm die Erblasserin am 2.5.1989 in einem verschlossenen Umschlag mit der Weisung übergeben habe, ihn erst nach ihrem Tode zu öffnen. Das Testament wurde am 8.6.1989 beim Amtsgericht … unter dem Aktenzeichen 4 IV K 48/89 nachlaßgerichtlich eröffnet. Sein privatschriftlich niedergelegter Text lautet:
„…”, soll alles erben. 1.5.89.
Aufgrund der im Erbscheinsverfahren durchgeführten üblichen Anhörung der gesetzlichen Erben zur Gültigkeit des Testamentes äußerten zwei der dem Gericht allein bekannt gewordenen mütterlichen Verwandten der Erblasserin den Verdacht, die verstorbene Tante könne, nach der undeutlichen und zittrigen Schrift zu urteilen, evtl. im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr geschäftsfähig gewesen sein. Sie bezogen sich dabei auf ein graphologisches Gutachten … nach dem das Schriftbild auf einen Zerfall der psychischen und körperlichen Kräfte, des Willens, der Widerstandskraft sowie auf Angstzustände und eine Verwirrtheit der Testamentsverfasserin hindeute. Das Nachlaßgericht führte daraufhin eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Heimleiterin des Altenheimes …, in dem die Erblasserin bis zu ihrer Einlieferung in das Krankenhaus am 8.5.1989 lebte, Frau …, der Sozialarbeiterin und Betreuerin Frau …, der Pflegerin Frau … und des Arztes der Erblasserin, (… durch, hinsichtlich deren Ergebnis auf die Vernehmungsprotokolle Bl. 49 ff., 67 ff.) und die eidesstattliche Versicherung von Dr. … (Bl. 55 f.) der Erbscheinsakten Bezug genommen wird. Die gesetzlichen Erben ließen daraufhin ihre Einwendungen gegen die vom Beklagten begehrte Erbscheinserteilung fallen. Der beantragte Erbschein wurde dem Beklagten am 19.6.1990 erteilt (Bl. 104 der Erbscheinsakten).
Unter dem 26.8.1991 haben die schon im Erbscheinsverfahren angeschriebenen fünf gesetzlichen Erben der Erblasserin sowie zwei Ehefrauen vorverstorbener Neffen die vorliegende Klage gegen den Testamentserben anhängig gemacht.
Sie hatten damit zunächst auch dessen Verurteilung zu der vorgerichtlich nicht abgemahnten Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses am vermeintlichen Todestag, dem 10.5.1989, und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände begehrt. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung beider Parteien hinsichtlich dieses Begehrens in erster Instanz haben die Kläger nur noch den außerdem gestellten Klageantrag weiterverfolgt, mit dem sie, gestützt auf die anhand einer Testamentskopie und der Kopie einer Unterschrift der Erblasserin aus dem Jahre 1982 angefertigten „graphologischen Schriftexpertise” Ensslen vom 19.5.1991 (Bl. 10 ff.d.A.) sowie zwei kurze „gutachterliche Äußerungen” des Schriftsachverständigen … vom 19.4. und 12.6.1991 (Bl. 17 ff.d.A.) nunmehr die Herausgabe des dem Beklagten erteilten Erbscheins mit der Behauptung gefordert haben, daß das seiner Ausstellung zugrundeliegende Testament gefälscht sei.
Sie haben beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den nach der Erblasserin erteilten Erbschein an das Nachlaßgericht herauszugeben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat seinerseits ein ausführliches Privatgutachten des Schriftsachverständigen … vom 14.12.1991 vorgelegt, mit dem er dem Fälschungseinwand entgegengetreten ist (Bl. 75 ff.d.A.).
Das Landgericht hat über die Frage der Fälschung Beweis erhoben durch Einholung des Schriftgutachtens vom 1.6.1992 und eines auf Antrag der Kläger angeforderten Ergänzungsgutachtens vom 16.11.1992 der Sachverständigen … Hinsichtlich des Inhalts der Gutachten wird auf Bl. 105 – 129 und 147 – 158 d.A. Bezug genommen. Die Nachlaß...