Leitsatz (amtlich)
Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auszahlung des Guthabens von einem sog. Oder-Konto
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen 2-10 O 104/17) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Main vom 25.04.2018 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.328,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.06.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 78% und die Beklagte 22% zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 14.911,97 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Vorname1 Nachname1 von der Beklagten Auszahlung des Kontoguthabens auf einem Girokonto i.H.v. 14.911,97 EUR gemäß § 700 BGB i.V.m. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB.
Die Beklagte betreibt als Kreditinstitut Bankgeschäfte aller Art im Sinne von § 1 KWG. Sie führte seit dem 02.03.2010 für den Insolvenzschuldner und dessen Ehefrau Vorname2 Nachname1 ein Girokonto als sog. "oder-Konto". Jeder Kontoinhaber war einzelverfügungsbefugt, die Einzelverfügungsbefugnis konnte jedoch jederzeit widerrufen werden. In dem Kontoeröffnungsvertrag waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die den AGB-Banken entsprechen, einbezogen. Darüber hinaus gewährte die Beklagte dem Insolvenzschuldner und dessen Ehefrau mit Vertrag vom 04.11.2009 ein Darlehen i.H.v. 30.000 EUR zu einem Zinssatz von 4,6 % p.a.. Das Darlehen wurde vereinbarungsgemäß valutiert.
Am 16.06.2014 wurde aufgrund Insolvenzantrags vom 13.02.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte hatte seit dem 25.03.2014 Kenntnis von dem Insolvenzantrag. Bereits am 10.04.2014 war der Kläger zum sog. "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verfügungsbefugnis nach § 22 InsO bestellt worden. Am 14.04.2014 erklärte er den Widerruf der Verfügungsbefugnis der Ehefrau des Schuldners. Zu diesem Zeitpunkt wies das Girokonto ein Guthaben von 12.987,63 EUR aus.
Mit Schreiben vom 02.06.2014 kündigte die Beklagte den Darlehensvertrag und stellte die Restforderung von 26.305,31 EUR zur sofortigen Rückzahlung fällig. Am gleichen Tag erklärte sie zudem die Kündigung des Girovertrages und verrechnete das vorhandene Kontoguthaben i.H.v. 14.911,97 EUR mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch.
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Auszahlung des Guthabens aus dem Girokonto Stand 02.06.2014 i.H.v. 14.911,97 EUR, hilfsweise Zahlung gemeinschaftlich an ihn und die Ehefrau des Schuldners.
Er hat die Auffassung vertreten, der von ihm erklärte Widerruf der Verfügungsbefugnis der Ehefrau sei unwirksam und habe damit nicht zu einer Umwandlung des Girokontos in ein "und"-Konto geführt, weil er als schwacher Insolvenzverwalter nicht zur Verfügung über das Konto nach § 22 InsO berechtigt gewesen sei. Daher liege nach wie vor ein "oder"-Konto vor, weshalb er den Auszahlungsanspruch aus dem Girovertrag gegen die Beklagte geltend machen könne. Der Auszahlungsanspruch sei nicht durch die von der Beklagten erklärte Verrechnung des Guthabens auf dem Girokonto mit dem Rückzahlungsanspruch nach Kündigung des Darlehensvertrages erloschen, da die Darlehenskündigung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung unterliege mit der Folge, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch derzeit nicht als fällig anzusehen sei. Die Beklagte sei auch nicht aufgrund eines Pfandrechts aufgrund ihrer AGB zur Aufrechnung befugt. Dieses sei nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, weil hierdurch der Beklagten nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Sicherung gewährt worden sei, auf die sie keinen Anspruch gehabt habe. Auf ein Recht zur abgesonderten Befriedigung an dem Guthaben des Schuldners könne sich die Beklagte wegen der Anfechtbarkeit des Pfandrechts nicht berufen. Zudem sei der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens erst mit der Kündigung am 02.06.2014 und damit nach Insolvenzantragstellung entstanden.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, da sich durch den Widerruf der Verfügungsbefugnis der Ehefrau des Schuldners seitens des Klägers das ursprüngliche "oder"-Konto in ein "und"-Konto umgewandelt habe mit der Folge, dass die beiden Kontoinhaber Mitgläubiger seien und nur gemeinschaftlich die Auszahlung verlangen könnten.
Darüber hinaus bestehe aber auch kein Auszahlungsanspruch, weil dieser durch Verrechnung mit der Darlehensforderung gemäß § 389 BGB erloschen sei. Die Verrechnung sei nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam, weil es an der nach § 129 InsO erforderlichen Gläubi...