Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Skandal: Keine Sittenwidrigkeit durch Thermofenster
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.06.2020; Aktenzeichen 2-23 O 90/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2020, Az. 2-23 O 909/19, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 84.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz im Zusammenhang mit der sogenannten Dieselaffäre in Anspruch. Sie verklagt die Verkäuferin (Beklagte zu 1) und die Herstellerin (Beklagte zu 2) des von ihr mit Kaufvertrag vom 21. August 2014 erworbenen und am 1. Oktober 2014 mit einer Laufleistung von 5.000 km zum Preis von 84.500,- EUR übernommenen Fahrzeugs, eines Porsche Panamera Diesel (Erstzulassung 14. August 2014). In dem Fahrzeug ist ein von der Audi AG hergestellter Motor des Typs 3.0l V6 Diesel EU 5 verbaut. Der Kläger bezeichnet den Motor als EA897.
Das Fahrzeug ist nicht von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (KBA) betroffen.
Insoweit ist der Tatbestand des Landgerichts dahingehend zu ergänzen, dass ab Ende 2019 ein Anhörungsverfahren des KBA zu Emissionen stattgefunden hat, das auch den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp umfasste und bei dem das KBA keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt hat. Seit Anfang 2020 steht allerdings ein freiwilliges, von dem KBA freigegebenes Software-Update zur Verfügung.
Die Klägerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Februar 2018 gegenüber der Beklagten zu 1 wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung bzw. den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Die Klägerin hat ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils das Vorliegen dreier unzulässiger Abschalteinrichtungen behauptet, und zwar in Form eines Thermofensters, einer manipulierten Getriebesteuerung mit einem dynamischen Schaltprogramm ("DSP") im Realbetrieb und einem Warmlaufschaltprogramm ("E-Modus") auf dem Prüfstand sowie eines speziellen Prüfmodus Dyno Operation Mode. Zu ergänzen ist, dass die Klägerin der Beklagten zu 2 zudem eine Manipulation des On-Board-Diagnosesystems (OBD) vorgehalten hat.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 668 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1 als unbegründet abgewiesen und gegen die Beklagte zu 2 als unzulässig verworfen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, gewährleistungsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 seien verjährt. Die Verjährung richte sich nicht nach § 438 Abs. 3 BGB, weil die Beklagte zu 1 keinen Mangel arglistig verschwiegen habe. Ein etwaiges arglistiges Verschweigen der Beklagten zu 2 müsse sie sich weder nach §§ 123 Abs. 2, 166 BGB noch nach § 278 BGB zurechnen lassen.
Der Anspruch folge auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Kaufvertrag sei nicht gemäß § 134 Abs. 1 BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 EG-FGV nichtig. Es handele sich bei § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Der Vertrag sei mangels Täuschung durch die Beklagte zu 1 auch nicht nach § 142 Abs. 1 BGB i.V.m. § 123 BGB nichtig. Eine etwaige Täuschung der Beklagten zu 2 müsse sich die Beklagte zu 1 nicht zurechnen lassen.
Ein Anspruch auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt einer Prospekthaftung sei nicht schlüssig dargelegt.
Die Klage gegen die Beklagte zu 2 sei im Hauptantrag auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2 mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig, da die Klägerin jederzeit eine Leistungsklage hätte erheben können. Der hilfsweise gestellte Zahlungsantrag sei ebenfalls unzulässig, weil der Antrag mit der Formulierung "Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 2 noch darzulegenden Nutzungsentschädigung" nicht bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei, worauf das Gericht hingewiesen habe. Im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung müsse auch die Gegenleistung so bestimmt sein, dass sie ihrerseits zum Gegenstand einer Leistungsklage gemacht werden könnte. Daran fehle es. Ein unbezifferter Antrag sei auch nicht deshalb zulässig, weil die Höhe des Nutzungsersatzes von billigem Ermessen abhänge. Der Nutzungsersatz werde im Wege der Schätzung aus den gefahrenen Kilometern und der zu erwartenden Restlaufleistung des Fahrzeugs nach § 287 ZPO ermittelt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 675 ff. d.A.) verwiesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge wiederholt.
Sie vertritt die Auffassung, der mit der Beklagten zu 1 geschloss...