Entscheidungsstichwort (Thema)
Unlautere Behinderung eines Mitbewerbers durch Verteilung von Handzetteln an Kunden im Bereich der Zufahrt
Leitsatz (amtlich)
Werden im Einfahrtsbereich eines Einzelhändlers an dessen Kunden Handzettel verteilt, auf denen für die Leistungen eines Mitbewerbers geworben wird, stellt dies dann eine gezielte Behinderung durch Abfangen von Kunden dar, wenn die Werber an in der Einfahrt haltende Fahrzeuge herantreten, um die Kunden zur Entgegennahme der Handzettel zu veranlassen, und diese sich diesem Versuch nicht ohne weiteres entziehen können.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 4
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.10.2016; Aktenzeichen 2-6 O 528/15) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 2.3.2016 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Tenor vor "Handzettel" eingefügt wird:
"an Insassen von Kraftfahrzeugen".
Von den Kosten des (erstinstanzlichen) Anordnungsverfahrens haben die Antragsgegnerin 38 % und die Antragstellerin 62 % zu tragen.
Die Kosten des (erstinstanzlichen) Widerspruchsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Die Parteien streiten über eine gezielte Behinderung im Wettbewerb.
Die Parteien betreiben jeweils X-Geschäfte mit zum größten Teil identischem Warenangebot. Die Geschäftsführer der Antragsgegnerin waren früher bei der Antragstellerin beschäftigt. Die Geschäftsbetriebe befinden sich in ca. 400 m Entfernung voneinander. Am ... 12.2015 verteilte ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin auf bzw. an der Straße1, an der sich der Geschäftsbetrieb der Antragstellerin befindet, Handzettel an Autofahrer, die wegen eines Rückstaus in diesem Bereich zum Teil standen. Auf den Handzetteln bewarb der Antragsgegnerin ihren X-Handel (Anlage Ast3).
Wegender weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des LG Frankfurt verwiesen.
Die Antragstellerin hat mit ihrem Eilantrag zunächst beantragt, der Antragsgegnerin das Verteilen von Handzetteln im Umkreis von 100 m um den Geschäftsbetrieb zu untersagen. Nach gerichtlichem Hinweis hat sie ihren Antrag eingeschränkt. Das LG hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 30.12.2015 untersagt, in der Einfahrt des Geschäftsbetriebs der Antragstellerin Handzettel für den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin zu verteilen oder dort durch gezieltes ansprechen Kunden der Antragstellerin abzufangen.
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das LG mit Urteil vom 2.3.2016 die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Antragsgegnerin untersagt wird, in der Einfahrt des Geschäftsbetriebes der Antragstellerin, die die Kunden vor dem Besuch des genannten Geschäftsbetriebs der Antragstellerin passieren müssen, Handzettel für den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin zu verteilen und hierbei durch gezieltes Ansprechen Kunden der Antragstellerin unter Hinweis auf das Geschäft der Antragsgegnerin abzufangen.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Die Antragsgegnerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Frankfurt am Main vom 2.3.2016, Az. 2-06 O 528/15, den Beschluss des LG - einstweilige Verfügung - vom 30.12.2015, Az. 2-06 O 528/15 aufzuheben und den auf seinen Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen;
Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Es besteht ein Verfügungsgrund (§ 12 II UWG). Die Dringlichkeitsvermutung wird nicht dadurch widerlegt, dass die Antragstellerin bestimmte Aspekte der Belästigung der Autofahrer erst mit der Erwiderung auf den Widerspruch vom 25.2.2016 vorgetragen und glaubhaft gemacht hat. Mit diesem neuen Vortrag wurde nicht i.S.d. "Zählrate"-Rechtsprechung des Senats eine weitere Beanstandung nachgeschoben (vgl. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2013, 302 Rn. 5). Es wurde kein eigenständiger Unlauterkeitsvorwurf erhoben, sondern lediglich weitere Umstände wie z.B. das Anklopfen an die Autoscheiben der Kunden zur Begründung des bisherigen Vorwurfs (unlauteres Abfangen von Kunden durch Handzettelverteiler) vorgetragen. Die neu vorgetragenen Umstände begründen den erhobenen Unlauterkeitsvorwurf des § 4 Nr. 4 UWG nicht für sich alleine, sondern tragen nur zur Gesamtwürdigung bei.
2. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin hat das LG mit seinem Urteilstenor nicht gegen die Bindung an die Parteianträge (§ 308 I ZPO) verstoßen.
a) Der ursprüngliche Verbotsantrag war lediglich dagegen gerichtet, "im Umkreis von 100 m um den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin ... Handzettel für die A GmbH zu verteilen oder auf sonstige Weise Kunden abzufangen". Auf die Art und Weise der Werbemaßna...