Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu einem Bewertungsportal für Ärzte im Internet
Leitsatz (amtlich)
Ein Arzt, der sich Bewertungen in einem frei zugänglichen Internetportal ausgesetzt sieht, hat keinen Anspruch gegen den Betreiber des Portals auf Löschung des Eintrags.
Normenkette
BDSG §§ 28-29, 35
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 09.06.2011; Aktenzeichen 9 O 385/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 9.6.2011 - 9 O 385/10, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages geleistet hat.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, die als niedergelassene Ärztin für ... in Ort01 tätig ist, begehrt von der Beklagten, die das Internetportal www ... de zum Auffinden und Bewerten von niedergelassenen Ärzten betreibt, die Löschung der über sie vorhandenen Daten (Kontaktdaten, berufliche Tätigkeit, Bewertungsmöglichkeit und erfolgte Bewertungen) sowie die Unterlassung der Veröffentlichung der entsprechenden Daten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 189 bis 194 d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Löschungs- oder Unterlassungsanspruch aus § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG, § 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 4 BDSG, § 1004 BGB zu, da die nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG vorzunehmende Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin und dem Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit der Beklagten zu einer zulässigen Verwertung der Daten durch die Beklagte führe.
Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 194 bis 201 d.A.) wird verwiesen.
Gegen dieses ihr am 27.6.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 21.7.2011 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.9.2011 mit einem am 26.9.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin, die ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter verfolgt, rügt, das LG habe verkannt, dass nicht § 29 BDSG, sondern § 28 BDSG zur Anwendung komme, da die Datenerhebung "für die Erfüllung eigener Geschäfts-zwecke" erfolge, nicht aber "zum Zwecke der Übermittlung". Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 BDSG für die Zulässigkeit der Datenerhebung lägen jedoch nicht vor.
Zudem habe das LG für den Fall der Anwendung des § 29 BDSG die gebotene Interessenabwägung unzutreffend vorgenommen. Die von dem BGH in seiner "spickmich" - Entscheidung (Lehrerbewertung) aufgestellten Maßstäbe seien auf das streitgegenständliche Portal nicht anzuwenden, da es sich nicht um ein geschlossenes Internetportal (sog. Community-Forum) handele. Das Interesse der Klägerin überwiege jenes der Beklagten deutlich; schon der latente Verdacht der Manipulation müsse die Einträge auf ... de unglaubwürdig erscheinen lassen. Zudem sei die Sozialsphäre der Klägerin durch ihre Berufstätigkeit geprägt, die auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aufbaue. Deshalb sei den Ärzten eine Werbung, die auf ungeprüfter Selbsteinschätzung beruhe, standesrechtlich nicht gestattet. Bei dem Portal der Beklagten sei der schönrednerischen Werbung durch konkurrierende Ärzte Tor und Tür geöffnet. Die Informationsinteressen der Nutzer des Portals könnten die Interessen der Klägerin ebenfalls nicht überwiegen, da die Bewertungen mangels Objektivität und Kompetenz der beurteilenden Laien für die Nutzer des Portals bei der Arztwahl als Information nicht werthaltig seien. Schließlich habe die Klägerin bei einer anonymen Bewertung keine Möglichkeit der Auseinandersetzung; Meinungsäußerungen aus der Masse heraus seien nicht schutzwürdig.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Wiesbaden vom 9.6.2011 - 9 O 385/10, aufzuheben und
1. die Beklagte zu verurteilen, die unter der Internet-Domäne "... de" veröffentlichen Daten über die Klägerin, bestehend aus Name, ärztlichen Tätigkeitsgebieten, Gesamt- und Einzelbewertungen der Klägerin sowie aus Kommentaren durch Nutzer der Internetseite "... de", auf der vorgenannten Internetdomäne zu löschen,
2. der Beklagten aufzugeben, es zu unterlassen, die persönlichen Daten der Klägerin bestehend aus Name, ärztlichen Tätigkeitsgebieten, Gesamt- und Einzelbewertungen der Klägerin sowie aus Kommentaren durch Nutzer der Internetseite "... de", auf der vorgenannten Internetdomäne zu veröffentlichen,
3. der Beklagten aufzugeben, es künftig zu unterlassen, die personenbezogenen Daten der Klägerin wie in Ziff. 1 und 2 beschrieben im Internet zu veröffentlichen,
4. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von EUR 250.000 und für den...