Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberatende Tätigkeit durch Schuldenberater
Leitsatz (amtlich)
Eine den Angehörigen der steuerberatenden Berufe vorbehaltene "Hilfeleistung in Steuersachen" liegt nicht vor, wenn ein Schuldenberater für seinen Kunden gegenüber dem Finanzamt lediglich um den Erlass oder die Stundung von Säumniszuschlägen sowie die Aussetzung eines Zwangsversteigerungsverfahrens bittet.
Normenkette
StBerG §§ 1-2, 5
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 04.02.2016; Aktenzeichen 15 O 62/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 4.2.2016 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten darüber, ob Hilfeleistungen zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus Steuerforderungen dem Steuerberater vorbehalten sind.
Der Beklagte ist als Schuldnerberater tätig. Er ist nicht in das bei der klagenden Steuerberaterkammer geführte Berufsregister der Steuerberater eingetragen. Der Beklagte betrieb für ein Ehepaar ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren. Das Finanzamt Stadt1 betrieb wegen einer Steuerforderung die Zwangsversteigerung in ihr Grundstück. Mit Schreiben vom 7.7.2014 wandte sich der Beklagte an das Finanzamt, stellte Zahlungen in Aussicht und bat um Aussetzung der Zwangsvollstreckung (Anlage A2). Die Klägerin sieht darin eine unzulässige Hilfe in Steuersachen.
Wegender weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten, die über die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge gem. § 6 Nr. 3 StBerG und/oder das Buchen laufender Geschäftsvorfälle einschließlich Kontieren, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteueranmeldungen gem. § 6 Nr. 4 StBerG hinausgehen, wie geschehen in dem Schreiben vom 7.7.2014 (Anlage A2).
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus §§ 8 III Nr. 2, 3, 4 Nr. 11 a.F., 3a n.F. UWG i.V.m. §§ 1, 2, 5 I StBerG auf Unterlassung zu, Dritten Hilfe bei der Abwehr von Steuerforderungen zu leisten.
a) Bei den Bestimmungen der §§ 1, 2, 5 I StBerG handelt es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne der §§ 4 Nr. 11 a.F., 3a n.F. UWG. Nach §§ 2, 5 I StBerG dürfen geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nur Personen und Vereinigungen leisten, die hierzu befugt sind. Der Beklagte gehört nicht zu den in § 3 StBerG aufgeführten Personen. Er ist gewerblich "im Bereich der Schuldnerberatung" tätig.
b) Der Beklagte hat den Eheleuten A keine Hilfe in Steuersachen geleistet, indem er in deren Namen das aus der Anlage A2 ersichtliche Schreiben an das Finanzamt Stadt1 richtete.
aa) An der Geschäftsmäßigkeit dieser Tätigkeit bestehen keine Zweifel. Geschäftsmäßigkeit ist gegeben, wenn jemand ausdrücklich oder erkennbar die Absicht verfolgt, die Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner selbständigen Beschäftigung zu machen (BFH, Beschl. v. 8.10.2010 - II B 111/10 -, Rn. 23, [...]). Der Beklagte ist nach eigenen Angaben gewerblich "im Bereich der Schuldnerberatung" tätig. Nach seinem Vortrag wäre diese Tätigkeit nicht mehr möglich, wenn er nicht mehr mit dem Finanzamt als Gläubiger korrespondieren dürfte. Es geht also um keinen Einzelfall, sondern um einen wiederkehrenden Bestandteil seiner Tätigkeit.
bb) Es liegt jedoch keine "Hilfeleistung in Steuersachen" vor. Der Begriff der "Steuersache" wird in § 1 StBerG sehr weitgehend als Hilfeleistung "in Angelegenheiten, die Steuern betreffen" definiert. Die Angelegenheit muss allerdings unmittelbar oder mittelbar mit der Verwirklichung von Steuertatbeständen bzw. Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitentatbeständen zu tun haben (vgl. Kuhls, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 1 Rn. 8). Daran fehlt es.
(1) Das AG Stadt1 hatte mit Beschluss vom ... 2014 auf Antrag des Finanzamts Stadt1 wegen einer Forderung in Höhe von EUR 60.786,63 die Zwangsversteigerung des Wohneigentums der Eheleute A angeordnet (Anlage A3). Die Eheleute A haben den Beklagten mit der Abwehr der Zwangsverst...